Diesel: 38.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr

Nicht nur VW hat ein Abgasproblem: Viele Dieselfahrzeuge stoßen deutlich mehr Stickoxide aus als erlaubt. Vernichtende Bilanz einer Hochrechnung: Dadurch kam es allein im Jahr 2015 zu 38.000 Todesfällen - 11.400 davon in der EU.

Laut dem Team um Susan Anenberg von der Organisation Environmental Health Analytics, LLC in Washington stoßen Dieselfahrzeuge jährlich rund 4,6 Millionen Tonnen Stickoxide mehr aus, als sie nach geltenden Grenzwerten dürften.

Stickoxide gehören zu den Vorläuferstoffen bodennahen Ozons und tragen zur Feinstaubbelastung bei. Sie erhöhen das Risiko für Schlaganfälle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs.

Schwerverkehr hauptverantwortlich

Seit Beginn des Volkswagen-Abgasskandals vor zwei Jahren wurde nach und nach bekannt, dass viele Dieselfahrzeuge auf der Straße mehr Schadstoffe ausstoßen als auf dem Prüfstand. Auf solche Messungen im Straßenverkehr stützen nun Anenberg und Kollegen ihre Berechnungen für den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) in den elf größten Märkten für Dieselfahrzeuge - darunter Brasilien, China, die 28 EU-Staaten, Indien, Japan, Russland und die USA.

Fazit der Studie im Fachmagazin „Nature“: Rund ein Drittel aller Schwerfahrzeuge und etwa die Hälfte aller Pkws stoßen deutlich mehr Stickoxide aus, als erlaubt wäre. Dieselabgase verursachen jährlich weltweit rund 108.000 Todesfälle. Mehr als ein Drittel davon (38.000) ist auf überschrittene Grenzwerte zurückzuführen.

Abgastest: Schlauch in Auspuff eines Autos

APA/dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Dieselfahrzeuge: Im Labor deutlich sauberer als auf der Straße

„Der Schwerlastverkehr - größere Lkws und Busse - trug bei Weitem am meisten zu den überschüssigen Stickoxiden bei, nämlich zu 76 Prozent“, sagt Josh Miller vom International Council on Clean Transportation (ICCT) in Washington, Mitautor der Studie.

„Europa trägt größte Gesundheitslast“

Lediglich in der EU ist die Situation anders, da Diesel-Pkws dort erheblich weiter verbreitet sind: Dieselautos verursachen in den EU-Ländern etwa 60 Prozent des Mehrausstoßes an Stickoxiden pro Jahr. „Europa trägt unter den größten Automärkten die größte Gesundheitslast durch zusätzliche Stickoxid-Emissionen“, sagt Mitautor Ray Minjares vom ICCT. Von den 28.500 vorzeitigen Todesfällen durch Stickoxide aus Dieselabgasen in der EU entfallen demnach rund 11.400 auf den Zusatzausstoß infolge nicht eingehaltener Grenzwerte.

In Europa wurde Diesel bei den NOx-Emissionen gegenüber Benzin lange Zeit bevorzugt, weil er weniger Kohlendioxid verursacht, sagt Koautor Zbigniew Klimont vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg. Deshalb durften Dieselfahrzeuge in der EU viel mehr Stickoxide als Benziner ausstoßen, was erst mit der aktuellen Euro-6-Norm abgestellt wurde.

In den USA galten für Dieselfahrzeuge hingegen bezüglich der Stickoxide stets dieselben Regeln wie für Benziner, deshalb gebe es dort weniger NOx-Todesfälle als in der EU. Indien habe dieselbe Taktik verfolgt wie die EU und deshalb die gleichen Probleme, so Klimont. In China wiederum sei der starke Schwerverkehr das Hauptproblem, aufgrund der hohen Bevölkerungszahlen gebe es dort auch mehr Todesfälle.

Prognose: Mehr Abgase in Schwellenländern

Durch den steigenden Verkehr vor allem in Schwellenländern wie Brasilien, Indien und China, aber auch in Australien erwarten die Forscher eine Verschärfung des Problems, wenn die Politik nicht einschreitet. 2040 würden die Stickoxid-Abgase dann sogar 183.600 Menschenleben frühzeitig fordern.

In Europa sei die Euro-6-Norm schon ein großer Schritt in die richtige Richtung gewesen, meint Klimont. Ab Herbst werden neue Autos hier auch verbindlich mit portablen Emissionsmesssystemen getestet, die während des Beschleunigens, bei niedrigen Temperaturen, Bergfahrten und ähnlichen Bedingungen die realen Abgaswerte ermitteln.

Das ist eine viel strengere Vorgabe als bisher, wodurch die realen Stickstoffoxid-Werte, die an die Umgebung abgegeben werden, deutlich nach unten wandern sollten. Wichtig sei nun, dass auch etwa China, Mexiko, Russland und Brasilien solche Standards einführen.

science.ORF.at/APA/dpa

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