Löwenzahn als Verhütungsmittel

In manchen naturheilkundlichen Anwendungen steckt ein wahrer Kern: Forscher haben nun zwei pflanzliche Wirkstoffe entdeckt, die die Befruchtung einer Eizelle verhindern. Daraus könnte ein Verhütungsmittel ohne Nebenwirkungen entstehen.

Krokodilkot, Essigspülungen oder Quecksilber: Schon seit der Antike - also lange vor der Anti-Baby-Pille - haben die Menschen mit allerlei Tricks und Mittelchen versucht, Schwangerschaften zu verhindern bzw. abzubrechen. Wirklich verlässlich waren diese Methoden nicht, manche sogar lebensgefährlich.

Noch heute werden zahlreiche alternative Mittel zur Empfängnisverhütung propagiert, z.B. wilde Yamswurzel, deren Wirkung aber mehr als fragwürdig ist. Dennoch kann man auch in der Naturheilkunde fündig werden - so wie die Forscher um Nadja Mannowetz vom Howard Hughes Medical Institute in Boston. Sie haben naturheilkundliches Verhütungswissen weltweit durchforstet und sind auf zwei pflanzliche Wirkstoffe gestoßen, die ihr Anforderungsprofil erfüllten.

Der Antrieb der Spermien

Der medizinische Hintergrund: Mit rhythmischen Schwanzbewegungen schwimmen die Spermien in Richtung Eizelle. Kurz vor dem Ziel - also vor der eigentlichen Befruchtung - erwartet sie eine letzte Hürde. Um die dichte Eihülle zu durchdringen, ändern die männlichen Samenzellen ihre Bewegung.

Peitschenartige Schläge mit ihrem Schwanz verleihen ihnen die nötige Kraft. Chemisch stimuliert wird dieser letzte Antrieb durch Progesteron, ein weibliches Geschlechtshormon, das die Zellen rund um die Eizelle vor der Empfängnis ausschütten, wie die Forscher in einer früheren Studie herausfanden. Das Hormon bindet an einen Rezeptor des Spermiums, ein Calciumkanal öffnet sich, die einströmenden Ionen lösen die kraftvollen Schwanzbewegungen aus.

Danach stellten die Forscher fest, dass sich dieser Mechanismus auch gezielt blockieren lässt, z.B. durch das männliche Geschlechtshormon Testosteron oder das Stresshormon Cortisol. Das könnte laut Mannowetz auch erklären, wie Stress und ein hoher Testosteronspiegel bei Frauen eine Befruchtung der Eizelle verhindern.

Wirksame Natur

Aber nicht nur Hormone, auch andere, chemisch ähnlich Wirkstoffe könnten eine vergleichbare molekularbiologische Wirkung zeigen und Schwangerschaften gezielt unterbinden, so die Annahme der Forscher. Gefunden haben sie einen solchen in Wilfords Dreiflügelfrucht (Tripterygium wilfordii). Die Blätter dieser Pflanze werden in der traditionellen chinesischen Medizin als Antifruchtbarkeitsmittel verwendet.

In anderen aus der Naturheilkunde bekannten Pflanzen, z.B. in Löwenzahnwurzeln oder Mangos fanden die Forscher noch eine weitere wirksame Chemikalie namens Lupeol. In den Labortests mit menschlichen Spermien konnten beide Wirkstoffe die Bindung von Progesteron an den Rezeptor erfolgreich unterbinden. Zusätzlich reduzierten sie die Beweglichkeit der Spermien. Gleichzeitig sind die Chemikalien aber nicht giftig für die Samenzellen.

Harmlose „Pille danach“

Vorerst funktioniert das allerdings nur in der Petrischale. In der Praxis könnte aus den Wirkstoffen ein Notfallverhütungsmittel für die Frau werden, das sie kurz vor oder nach dem Sex einnimmt, so die Forscher in einer Aussendung. „Die Pflanzenbestandteile verhindern eine Befruchtung schon in sehr geringer Konzentration - verglichen mit der Wirkstoffmenge in der derzeit erhältlichen ‚Pille danach‘“, so Koautorin Polina Lishko.

Die pflanzlichen, ungiftigen und hormonfreien Substanzen könnten für viele eine willkommene Alternative sein, auch weil sie - rechtzeitig eingenommen (also innerhalb von sechs Stunden nach dem Geschlechtsverkehr) - die Befruchtung an sich verhindern und nicht erst die Einnistung der befruchteten Eizelle. Die Forscher können sich aber auch eine permanente Anwendung vorstellen, bei der die Wirkstoffe über ein Pflaster oder einen Vaginalring in den Körper gelangen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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