Die Antarktis wird grüner

In der Antarktis steigen die Temperaturen rasant, deutlich schneller als im Rest der Welt. Mittlerweile hat auch die Pflanzenwelt des südlichen Kontinents reagiert: Die Moose wachsen nun fünfmal so schnell wie in den 50er Jahren.

14 Millionen Quadratkilometer, dreimal so groß wie die EU: Antarktika ist ein riesiger und - abgesehen von ein paar hundert Polarforschern - menschenleerer Kontinent. Mächtige Gletscher, Eisberge und weiße Gebirgsketten bestimmen das Panorama an diesem unwirklichen Ort. Allein auf der Antarktischen Halbinsel bietet sich ein anderes Bild. An deren Westküste ist es grün, hier trotzen einige Pflanzenpioniere den widrigen Bedingungen. Dazu gehören zwei Gefäßpflanzen - die Antarktische Perlwurz und die Antarktische Schmiele, ansonsten besteht die Vegetation aus Flechten und Moosen.

Üppige Moosflächen vor Meer mit Eisbergen

Matt Amesbury

Green Island vor der Antarktischen Halbinsel - der Name kommt nicht von ungefähr

Ähnlich wie in Mooren und Korallenriffen überdauern auch in der Antarktischen Pflanzendecke die abgestorbenen Reste früherer Generationen: Wegen der Kälte geht der Abbau der organischen Substanz nur extrem langsam vor sich, die Moose haben sich mancherorts drei Meter aufgetürmt, die tiefsten Schichten sind fünftausend Jahre alt und mehr.

Ökosystem im Umbruch

Diese Öko- und Klimaarchive haben nun Forscher um Matthew Amesbury von der britischen University of Exeter analysiert. Anlass dafür: Auf dem südlichen Kontinent schreitet die Erwärmung viel schneller als in anderen Erdregionen voran, die Temperatur stieg seit 1950 um 0,5 Grad pro Jahrzehnt.

Das hat auch in der Pflanzendecke Spuren hinterlassen, wie Kohlenstoffmessungen zeigen: „Wir finden in unseren Bohrkernen einen eindeutigen Wendepunkt ab den 50er Jahren“, sagte Amesbury gegenüber science.ORF.at, „seit damals hat sich die Wachstumsrate der Moose auf das Vier- bis Fünffache erhöht.“

Braungrüne Moosfläche auf Green Island. Im Hintergrund mächtige Eisberge.

Matt Amesbury

Die Gletscher ziehen sich zurück, die Grünflächen wachsen

Verglichen mit Ökosystemen in gemäßigten Zonen ist das Wachstum freilich immer noch gemächlich. Gegenwärtig legen die Moose ein paar Millimeter pro Saison zu. Prognose der Forscher: Die Moose werden angesichts der stetig steigenden Temperaturen ihr Wachstum weiter beschleunigen. Da sich im Zuge dessen die Gletscher zurückziehen, werden auch die Grünflächen auf der Antarktischen Halbinsel wachsen - ein Trend, der auch schon auf der anderen Seite der Erde, in der Arktis, nachgewiesen wurde.

Fürs Überleben der Moose wären die nun etwas milderen Lebensumstände nicht unbedingt notwendig. Amesburys Kollege Peter Convey vom British Antarctic Survey entdeckte vor drei Jahren ein Moos, das nach 1.500-jährigem Tiefschlaf unter dem Eis wieder zum Leben erwacht ist.

Robert Czepel, science.ORF.at

Mehr zu diesem Thema: