Studie: Kunstschnee ist gut für das Klima

Die Winter werden immer milder, der Tourismus setzt deshalb immer mehr auf Kunstschnee. Dazu braucht man viel Strom und Wasser, was Naturschützer kritisieren. Doch eine neue Studie behauptet: Kunstschnee wirkt sich positiv auf das Klima aus.

Denn der abkühlende Effekt des Kunstschnees wiegt den Ausstoß von Emissionen auf, der bei der Erzeugung von Kunstschnee entsteht, heißt es in der Studie vom steirischen Forschungszentrum Joanneum Research (JR).

„Das klingt nicht nach Common Sense“, sagt Franz Prettenthaler, Leiter des JR-Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft (LIFE) und Autor der Studie gegenüber science.ORF.at. „Aber es ist die Aufgabe der Wissenschaft, dem Common Sense zu widersprechen, wenn es dafür Beweise gibt.“

Weiße Oberfläche erwärmt sich weniger

„Es heißt oft, dass die Erzeugung von Kunstschnee eine schlechte Anpassungsstrategie an den Klimawandel ist, weil sie selbst klimaschädlich ist. Wir haben uns das nun genau angesehen“, fasst der Grazer Volkswirt den Ausgangspunkt seiner Berechnungen zusammen. „Wir haben erstmals eine Energie- und Klimabilanz für alle beschneiten Pisten in Tirol und in der Steiermark aufgestellt.“ Darin wurde der dazu notwendige Energieeinsatz und damit verbundene Treibhausgasemissionen, aber auch der sogenannte Albedo-Effekt berücksichtigt.

Kurzfassung der Studie auf der Homepage des JR-Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft. Die Studie wurde vom Fachverband der Seilbahnen Österreichs unterstützt und baut auf Daten vom Klima- und Energiefonds auf.

„Der Albedo-Wert misst die Rückstrahleigenschaften einer Oberfläche. Ein höherer Albedo-Wert bedeutet für die Strahlungsbilanz der Erde einen geringeren Strahlungsantrieb und daher weniger Erwärmung“, erklärt Prettenthaler.

Den Effekt, dass unterschiedliche Oberflächen verschiedene Rückstrahlung haben, kennt jeder: Im Sommer ist u. a. dunkler Asphalt wesentlich heißer als graue Gehwegplatten, weil heller, glatter Belag mehr Strahlung reflektieren kann. Im alpinen Bereich ist es ähnlich, so Prettenthaler. Hier würden weiße Schneeflächen einen Großteil der Sonnenstrahlung reflektieren und sich nicht so stark erwärmen.

Dunklere Flächen, wie z. B. apere Wiesen, nehmen allerdings mehr Sonnenstrahlung auf und erwärmen die Erdoberfläche und die Umgebung stärker. Dieser Aspekt sei bei bisherigen Berechnungen in Bezug auf die Kunstschneeproduktion außer Acht gelassen worden.

Vierfache Kompensation

Die Forscher haben für 79 Skigebiete in Tirol und 32 in der Steiermark - und somit für eine gesamte Kunstschneefläche von rund 10.300 Hektar - berechnet, welchen „kühlenden“ Effekt die Beschneiung haben kann. Das Ergebnis dieser Klimawirksamkeit haben sie mit den Emissionen, die für den Strom zur Erzeugung der Kunstschneeflächen notwendig sind, gegengerechnet.

ORF-Schwerpunkt: Mutter Erde

„2 Grad sind mehr, als du denkst“ - unter diesem Motto steht der Mutter-Erde-Schwerpunkt des ORF von 26. Mai bis 2. Juni.

„Einer Gesamtemission für beide Bundesländer aus dem Stromverbrauch der Kunstschneeerzeugung von rund 102.000 Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2016 steht ein ‚Albedo-bedingter Gegeneffekt‘ in der Höhe von 418.000 Tonnen CO2-Äquivalenten gegenüber“, beschreibt Prettenthaler das Ergebnis. Damit kompensiere die Klimawirksamkeit der künstlichen Schneebedeckung die Effekte der Emissionen durch Stromeinsatz um das rund Vierfache.

“Klimaschützende Anpassungsmaßnahme“

Die Einsparung an Treibhausgasemissionen für beide Bundesländer liege für das Jahr 2016 bei 316.000 Tonnen CO2-Äquivalenten, so Prettenthaler. Das komme einer Einsparung der Treibhausgas-Emissionen gleich, die der Jahreskilometerleistung von 140.000 durchschnittlichen Pkw entspricht.

Der positive Klimaeffekt der Beschneiung war umso größer, je höher der Prozentsatz des durch erneuerbare Energieträger gedeckten Strombedarfes während der Schneeproduktion war. „Unter diesen Voraussetzungen ist die technische Schneeproduktion jedenfalls kostenneutral und kann - wenn auch im geringen Ausmaß - sogar als klimaschützende Anpassungsmaßnahme der Skilift- und Seilbahnbetreiber bezeichnet werden“, folgerte die Forschergruppe. Hohe Stromimporte, wie auch höhere Emissionsraten etwa bei aus Kohle gewonnenem Strom können jedoch das Nettoergebnis der Klimabilanz drücken.

Fazit: Nach einer Studie, die gezeigt hat, dass Flüchtlinge mehr in öffentliche Töpfe einzahlen, als sie kosten, hat Franz Prettenthaler nun eine weitere Untersuchung vorgelegt, die kontraintuitiv erscheint. Sie enthält eine reine Energie- und Klimabilanz – über die Auswirkungen auf die Ökosysteme trifft sie keine Aussage.

science.ORF.at/APA

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