„Teils dramatischer Anstieg“

Antisemitische Äußerungen haben stark zugenommen, antisemitisch motivierte Gewalt hat abgenommen, so das Fazit des neuen globalen Antisemitismusreports. Dina Porat, seine Hauptautorin und Chefhistorikerin von Yad Vashem, war in Wien.

Einen „teils dramatischen Anstieg“ an Hassbotschaften im Netz diagnostiziert der Ende April veröffentlichte globale Antisemitismusreport der Tel Aviv-University. Alle 83 Sekunden wird in den Sozialen Medien ein antisemitisches Posting veröffentlicht, der Großteil davon auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

Besserer Schutz des öffentlichen Raums

Die Universität Tel Aviv erstellt den globalen Antisemitismusreport gemeinsam mit ihren lokalen Verbindungsbüros und unabhängigen Forschungsinstitutionen in mehr als 40 Staaten der Welt. Die Hauptautorin des Berichts ist die Historikerin Dina Porat von der Universität Tel Aviv.

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Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 26.5., 12 Uhr.

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Sie betont, dass die Abnahme von antisemitisch motivierter Gewalt auch auf verstärkte Sicherheitsvorkehrungen rund um jüdische Einrichtungen zurückzuführen sei: „In Frankreich, Belgien und Deutschland, ist weitaus mehr Militär und Polizei im öffentlichen Raum präsent, als noch vor zwei Jahren. Dazu kommt die bessere Kooperation der Geheimdienste.“

Außerdem: Immer weniger Jüdinnen und Juden geben sich außerhalb ihres Zuhauses als solche zu erkennen, da sie sich bedroht fühlen. Und verzichten deshalb beispielsweise auf das Tragen der Kippa.

Allgemein gültige Definition von Antisemitismus

In Österreich arbeitet Dina Porat mit dem Forum gegen Antisemitismus zusammen. im Vorjahr hat man hierzulande knapp 500 antisemitische Vorfälle beobachtet. Mehr als zwei Drittel hatten einen rechtsradikalen Hintergrund, weitere 22 Prozent einen islamistischen.

Als eines von nur drei EU-Ländern hat Österreich Ende April die internationale „Arbeitsdefinition von Antisemitismus“ übernommen – diese geht auf die Holocaust Remembrance Alliance zurück, das ist eine international tätige Institution, die an den Holocaust erinnert, dazu forscht und Antisemitismus bekämpfen will.

Die staatliche Akzeptanz einer allgemein gültigen Definition von Antisemitismus ist für Dina Porat ein wichtiger Schritt: „Sie kann erleichtern, Antisemitismus zu identifizieren und diesen auch juristisch zu bekämpfen. Etwa, wenn man damit vor Gericht klar machen kann, ob beispielsweise Übergriffe antisemitisch motiviert waren.“ Institutionen wie die EU-Grundrechteagentur arbeiten bereits länger nach dieser Definition und nutzen sie beispielsweise für die Fortbildung für Polizistinnen und Polizisten.

Aktuell forscht Dina Porat zu dem Verhältnis zwischen Christen und Juden, zwischen Israel und dem Vatikan. Dieses habe sich, nicht zuletzt durch den Besuch und Äußerungen von Papst Franziskus, gebessert.

Tanja Malle, Ö1-Wissenschaft

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