Auch Experten glauben an Neuromythen

Manches, das man über das Gehirn hört und liest, ist nicht nur erstaunlich, sondern auch von Grund auf falsch. Eine neue Studie zeigt: Sogar Fachleute nehmen solche Neuromythen dann und wann für bare Münze.

Der „Mozart-Effekt“ ist einer der bekanntesten Neuromythen. Er sagt aus, dass klassische Musik klüger macht. Benannt nach dem berühmten Salzburger Komponisten sorgte er in den 1990er Jahren für große Begeisterung.

Dass man ihn mittlerweile als Mythos entlarvt hat, scheint bei manchen noch nicht so richtig angekommen zu sein. Denn das Geschäft mit dem „Mozart-Effekt“ floriert: Immer noch werden CDs und Bücher an werdende Mütter verkauft.

Und er ist nicht der einzige Neuromythos, der in den Medien kursiert, es gibt sie en masse. Meist entstehen sie, weil komplexe Forschungsergebnisse vereinfacht oder fehlinterpretiert werden.

Keine Seltenheit

Die Forscher um Kelly Macdonald von der Universität Houston haben sich nun genauer mit ihnen befasst. Für ihre Untersuchungen haben sie nicht nur Laien befragt, sondern auch Pädagogen und Teilnehmer von neurowissenschaftlichen Kursen. Dabei zeigte sich: Auf den einen oder anderen Neuromythos fällt fast jeder rein.

Der Gängigste: „Kinder lernen besser, wenn man ihnen Information entsprechend ihres Lerntyps vermittelt“. Über 90 Prozent der „gewöhnlichen“ Teilnehmer, 76 Prozent der Pädagogen und 78 Prozent der Kursteilnehmer konnten diese Falschaussage nicht als solche erkennen.

Aber auch andere, wie beispielsweise „Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns“, „Legastheniker sehen Buchstaben meist falsch herum“ oder „Zucker verringert das Aufmerksamkeitsvermögen von Kindern“, sorgten bei vielen Befragten nicht für Kopfschütteln.

Im Schnitt sind 68 Prozent der Laien, 56 Prozent der Pädagogen und 46 Prozent der Personen mit neurowissenschaftlichem Hintergrund auf die Mythen hereingefallen. Die statistische Auswertung zeigte: Wer einen der Mythen glaubt, glaubt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch noch andere.

Mythen haben Konsequenzen

Laut den Forschern geht von den Neuromythen ein großes Risiko aus. Denn viele von ihnen befassen sich mit Themen wie Bildung und Lernen. Besonders Lehrer und Eltern würden dadurch Gefahr laufen, Kindern – trotz guter Absichten – nicht richtig zu helfen oder ihnen vielleicht sogar zu schaden.

MacDonald und ihre Kollegen sehen Handlungsbedarf. Sie wollen speziell für Erzieher ein Online-Trainingsmodul entwickeln. Damit hoffen sie, die gängigsten Neuromythen ein für alle Mal zu enttarnen.

Anita Zolles, science.ORF.at

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