Auch Lichtteilchen können kollidieren

Wenn sich zwei Lichtstrahlen kreuzen, dann passiert: nichts. Das ist den Lichtteilchen nämlich „egal“, besagt die Theorie des Elektromagnetismus. Ganz „egal“ ist es ihnen doch nicht, wie Physiker in einem aufsehenerregenden Experiment herausgefunden haben.

Die ersten direkten Hinweise auf eine Kollision von Lichtteilchen haben die Forscher vom europäischen Kernforschungszentrum (Cern) mit Hilfe des weltgrößten Teilchenbeschleunigers bei Experimenten mit rasenden Blei-Ionen entdeckt.

Für die Feststellung, dass die Kollision definitiv beobachtet wurde, fehlen nach den hohen Standards der Physiker allerdings noch einige weitere Messungen. Die werden vermutlich Ende 2018 vorliegen, sagt der stellvertretende Leiter des Atlas-Experiments, Andreas Hoecker.

Nachweis nach 80 Jahren

Sicher ist: Die in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ veröffentlichten Ergebnisse gelten jetzt schon als Meilenstein. Sie resultierten aus Experimenten im Jahr 2015. So lange dauerte es, die ungeheuren Datenmengen auszuwerten und zu verifizieren.

Riesiger Detektor am Kernforschungszentrum CERN

CERN

Groß wie ein Haus: der Atlas-Detektor.

Laut den 150 Jahre alten Maxwell-Gleichungen, die Standardtheorie zur Beschreibung des Elektromagnetismus, können sich Lichtstrahlen nicht gegenseitig beeinflussen, da sie elektrisch neutral sind. Quantenphysiker berechneten im Jahr 1934, dass Lichtteilchen das unter bestimmten Bedingungen doch können. Und zwar dann, wenn sie sich kurzfristig in ein virtuelles Teilchenpaar (bestehend aus einem Elektron und einem Positron) aufspalten.

Entdeckung „bloß“ Nebenprodukt

Das Experiment mit den Blei-Ionen im Teilchenbeschleuniger hatte eigentlich ein anderes Ziel, sagt Hoecker: Physiker untersuchen damit ein Plasma, wie es zu Anfang des Universums vorhanden war. Die Entdeckung der Lichtteilchen-Kollisionen war demnach ein glückliches Nebenprodukt.

Beim Atlas-Experiment werden Blei-Ionen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf Kollisionskurs gebracht. Wenn sie sehr knapp aneinander vorbeirasen, entsteht ein großes elektromagnetisches Feld. Dieses Feld entspricht hochenergetischen Photonen, die wiederum miteinander in Wechselwirkung treten können - wie zu beweisen war.

Diese Ereignisse seien sehr selten, betont Hoecker. Dass sich daraus ein praktischer Nutzen etwa für den Quantencomputer ergibt, bezweifelt er. Gleichwohl: „Es könnte sein, dass nicht nur Elektronen und Positronen, sondern auch schwerere, noch unbekannte Teilchen produziert werden. Das nachzuweisen wäre eine revolutionäre neue Physik.“

science.ORF.at/dpa

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