Virtual Reality für Maus, Fliege und Fisch

Um Mäusen, Fliegen und Fischen möglichst authentisches Verhalten unter kontrollierten Bedingungen zu entlocken, verwenden Forscher eine künstliche Umgebung. Mit formbaren Displays und Computergrafik werden die Tiere in eine virtuelle Wirklichkeit versetzt.

Ähnlich wie im fiktionalen Holodeck in „Star Trek“ lässt sich die Umgebung mit dem von einem Forscherteam aus Österreich und Deutschland entwickelten „FreemoVR“-System gezielt herstellen. Im Kern handelt es sich dabei um eine Art Multifunktions-Arena, deren Wände und Boden aus Computerdisplays mit beliebig formbaren Projektionsflächen bestehen. Bespielt wird diese virtuelle Realität (VR) mit Grafiken auf Basis von Computerspiel-Technologie.

Virtual Reality für Fliegen

https://strawlab.org/freemovr

Virtual Reality für Fliegen

Die Studie

„Virtual reality for freely moving animals“, Nature Methods, 21.8.2017

Zu dem ausgeklügelten Aufbau greifen die Wissenschaftler, da Forschung an Versuchstieren, die sich frei bewegen können, reales Verhalten zwar am besten zeigt, die praktische Umsetzung aber schwierig ist. Wollte man bisher die Tiere unter vergleichbaren Bedingungen bestimmten Szenarien aussetzen, musste meistens ihr Bewegungsspielraum mit verschiedenen Methoden eingeschränkt werden. Das limitierte wiederum die Aussagekraft vieler Experimente, denn „unser Gehirn hat sich ja nicht unter Laborbedingungen entwickelt“, sagt die an der Arbeit beteiligte Kristin Tessmar-Raible von den Max F. Perutz Laboratories (MFLP).

Veränderbare Umgebung

Mit dem neuen System können die Forschungsgruppen um Andrew Straw von der Uni Freiburg (vorher Institut für Molekulare Pathologie (IMP) Wien) und Tessmar-Raible nun die meisten bisherigen Einschränkungen umgehen, in dem die Tiere eben frei die komplett computergenerierte 3D-Umgebung erkunden - und zwar gehend, schwimmend oder fliegend.

Das System erlaube es, „natürliche Umgebungen zu erzeugen, die immer noch recht standardisiert sind“, so Tessmar-Raible, die das System für Forschung an Zebrafischen einsetzt. Zusätzlich können die Bedingungen sehr schnell verändert werden, ohne dass die Tiere dabei in ein neues Umfeld gesetzt werden müssen. „Man kann sie so sozusagen auch etwas fragen: Nämlich, möchtest du lieber in dieser oder jener Umgebung schwimmen? Das geht ohne VR gar nicht.“

Verhaltensunterschiede entdeckt

Wie die Tiere auf VR reagieren, testen die Wissenschaftler seit einiger Zeit. Eine zentrale Frage ist etwa, ob der schnelle Umgebungswechsel die Fische verwirrt. „Sie sind aber sehr ruhig und schwimmen gemütlich. Sie scheinen keine Angst davor zu haben - so viel kann man schon sagen“, erläutert Tessmar-Raible. Die Wiener Gruppe fand mittels FreemoVR beispielsweise bisher unbemerkte Verhaltensunterschiede zwischen zwei Zebrafisch-Stämmen.

Video: Virtueller und echter Fisch

Bisher ging man davon aus, dass zwischen dem Wildtyp und einem mutierten Stamm kein Verhaltensunterschied besteht. Doch alleine schon das Erscheinungsbild der Tiere legte den Verdacht nahe, dass dem nicht so ist, sagt die Forscherin. In Tests, bei denen die Forscher die Fische mit verschieden großen Punkten in bestimmte Bahnen lenkten, zeigte sich tatsächlich, dass sie ein anderes Schwimmverhalten an den Tag legten, das vermutlich auf unterschiedliche Wahrnehmung zurückzuführen ist.

Tessmar-Raible: „Dieser Unterschied ist aber nicht so stark, als dass man es mit bisherigen Methoden hätte wahrnehmen können.“ Die Gruppe von IMP-Forscher Wulf Haubensack konnte mit dem System zeigen, dass Mäuse auch in einem rein virtuell erhöhten Labyrinth Höhenangst empfinden, was man sich in der Zukunft für pharmakologische Studien zunutze machen kann.

science.ORF.at/APA

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