„Grenzwerte absolut sinnvoll“

Wie sehr belasten Dieselautos die Luft? Diese Frage wurde zuletzt wieder heiß diskutiert - auch, weil auf dem Arbeitsplatz ein viel höherer Grenzwert für Stickoxid gilt als im Straßenverkehr. Was absurd klingt, sei im Detail berechtigt, sagen dazu Experten.

Stickoxid (NOx) trägt zur Bildung von Feinstaub und bodennahem Ozon bei, es reizt die Schleimhäute und kann Atemwegserkrankungen auslösen. 40 Mikrogramm Stickoxid - mehr soll laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einem Kubikmeter Luft im Jahresschnitt nicht gemessen werden - auch nicht neben stark befahrenen Straßen. 950 Mikrogramm, also das 23-Fache, gilt hingegen als Grenzwert am Arbeitsplatz, weshalb der Sprecher der österreichischen Autoimporteure, Günther Kerle, zuletzt in der ZIB2 sagte: „Überspitzt formuliert: Wenn Sie am Gehsteig am Ring in Wien sitzen, haben Sie eine bessere Luft als am Arbeitsplatz.“

„Realitätsfremd“ und „absurd“

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichtete das Mittagsjournal am 24.8.2017.

Als „realitätsfremd“ und „absurd“ bezeichnet diese Aussage der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinischen Universität Wien. Grenzwerte für die Außenluft müssen alle Menschen schützen, auch Säuglinge und ältere Menschen, 24 Stunden am Tag. Am Arbeitsplatz hingegen sind im Normalfall gesunde Erwachsene für 40 Stunden in der Woche. Außerdem gibt es nur eine kleine Gruppe von Arbeitsplätzen, bei denen der Stickoxidgrenzwert überhaupt relevant ist. „Wo etwas verbrannt wird im Sinn einer Schweißarbeit, aber natürlich auch wenn Maschinen mit Dieselmotor im Raum stehen.“

In Büros findet man flüchtige Kohlenwasserstoffe, Formaldehyd, Weichmacher, Flammschutzmittel. Eine nennenswerte Belastung mit Stickoxiden gibt es in Büros und auch Wohnungen nur unter bestimmten Umständen: „Bei Holz- und Gasöfen, die lange in Betrieb sind, wissen wir, dass in Innenräumen hohe Belastungen vorzufinden sind.“

Verkehr als Hauptproduzent von NOx

Dritte Möglichkeit: Man lebt oder arbeitet an einer viel befahrenen Straße. Der Umweltmediziner hält den derzeitigen Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresschnitt für „absolut sinnvoll und wissenschaftlich abgesichert“, wenn es darum geht, die Bevölkerung vor Atemwegsreizungen und -erkrankungen durch Stickoxide zu schützen. Das betont auch Jürgen Schneider, Experte für Innenraumluft im Umweltbundesamt, das die Luftverschmutzung an Schulen untersucht hat: „Da hat sich eindeutig gezeigt: Die höchsten Stickoxidkonzentrationen sind direkt an der Straße zu messen, in höheren Stockwerken sind sie bereits deutlich niedriger.“

Auch die Luftmessstellen zeigen: Überschreitungen des Stickoxidgrenzwertes gibt es nur in der Nähe stark befahrener Straßen, 2016 beispielsweise in der Nähe der Inntal-, Brenner- und Tauernautobahn, aber auch am Hietzinger Kai in Wien. Zwar ist die Belastung mit Stickoxiden in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen: „Die Abnahme ist aber leider nicht so groß, wie wir sie eigentlich erwartet haben. Hauptursache dafür ist, dass eben die Euronormen bei Diesel-Pkws bei Weitem nicht die Reduktion gebracht haben, die eigentlich von der Automobilindustrie zugesagt war.“ Daran müsse weiter gearbeitet werden, so der Experte.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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