Mit „Big Brother“ die Sprache untersuchen

Stundenlang die TV-Show „Big Brother“ schauen: Das muss keine verlorene Zeit sein, wie ein Wiener Sprachforscher beweist. Er hat die TV-Show als „Sprachlabor“ benutzt und untersucht, wie sich die Sprache bei intensivem Sozialkontakt ändert.

Selbst dieser führt mittelfristig kaum zu einer Anpassung verschiedener Akzente von Personen, heißt es in einer Studie von Peter Graff, Lehrbeauftragter am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien, und Kollegen. Wichtiger seien dafür der individuelle Grad der Beeinflussbarkeit und starke soziale Bindungen zwischen einzelnen Akteuren

Die Aufzeichnungen der britische Ausgabe der TV-Realityshow habe man als Material gewählt, weil das „Big-Brother House“ einen sprachlich geschlossenen Raum darstelle, berichten Graff und seine Kollegen in einer Studie. Die Sprachwissenschaftler analysierten 14,5 Stunden Videomaterial aus dem „Diary Room“, in dem zwölf Teilnehmer der Show über ihre Erlebnisse berichten.

Live-Beobachtung von Akzenten

Fünf variable Aspekte der Aussprache, etwa der Zeitpunkt des Stimmeinsatzes bei Lauten wie p und b oder die Eigenschaften von drei Vokalen wie in „goose“, „strut“ und „trap“ wurden dabei u.a. mit Sprachverarbeitungssoftware untersucht.

„Auf diese Weise die Akzentveränderungen bei Erwachsenen gewissermaßen live beobachten zu können, war äußerst spannend“, erklärte Graff, da es sich bei der persönlichen Art, Laute auszusprechen, um einen der stabilsten Aspekte von Sprache handle. „Jede Sprache erlaubt hier einen gewissen Freiraum, den Menschen auch ausnutzen“, so der Lehrbeauftragte am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien.

Herkunft und Nähe zu Freunden entscheidend

Der Linguist hat während seines Doktoratsstudiums am Massachusetts Institute of Technology (MIT) begonnen, an dem Projekt mitzuarbeiten, das von Morgan Sonderegger von der McGill University in Quebec (Kanada) und Max Bane von der University of Chicago (USA) geleitet wurde.

Selbst nach drei Monaten intensivem Sozialkontakt in der Isolation klingen die „Big Brother“-Teilnehmer nicht alle gleich, so die Autoren der Studie. Die Ausspracheveränderungen seien aber bei jedem Menschen höchst komplex. So hängt der Grad der Veränderung von systematischen Unterschieden zwischen den einzelnen Personen ab.

Faktoren wie Herkunft und soziale Beziehungen beeinflussen das Ergebnis: So wurde festgestellt, dass Sprecher eher Lautvarianten produzieren, die innerhalb der Aussprachebandbreite der eigenen Herkunftsregion liegen. Auch ein besonders enges Naheverhältnis beeinflusse die Angleichung der Aussprache. Die Wissenschaftler würde es interessieren, ob derartige mittelfristige Veränderungen auch im Bereich des Wortschatz, der Flexion, der Wortbildung und des Satzbaues stattfinden.

science.ORF.at/APA

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