Gravitationswellen: Nobelpreis für Einsteins Erben

Ein Favoritensieg: Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an die drei US-Amerikaner Rainer Weiss, Barry Barish und Kip Thorne. Sie werden für ihre Vorarbeiten zum direkten Nachweis von Gravitationswellen ausgezeichnet.

Die höchste Auszeichnung für Physiker ist mit umgerechnet etwa 940.000 Euro (9 Mio. schwedischen Kronen) dotiert. Weiss ist gebürtiger Deutscher. Er erhält die Hälfte des Preisgeldes, Barish und Thorne teilen sich die andere.

„Jeder der Preisträger von 2017 war mit seinem Enthusiasmus und seiner Entschlossenheit von unschätzbarem Wert für den Erfolg von LIGO“, hieß es von den Juroren. LIGO ist jener Doppeldetektor in den USA, mit dem der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen im September 2015 gelang.

Einstein nach 100 Jahren bestätigt

Gravitationswellen sind winzige Verzerrungen der Raumzeit. Albert Einstein hatte ihre Existenz vor 100 Jahren mit Hilfe seiner Relativitätstheorie vorausgesagt: Sie entstehen, wenn Massen beschleunigt werden - etwa bei der Explosion von Sternen am Ende ihrer Lebenszeit oder beim Verschmelzen zweier Schwarzer Löcher. Forscher hatten bereits jahrzehntelang einen Nachweis versucht, waren jedoch in Ermangelung ausreichend empfindlicher Messgeräte gescheitert.

Künstlerische Darstellung: Zwei schwarze Löcher kollidieren

SXS, the Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) project

Gravitationswellen entstehen unter anderem bei der Kollision Schwarzer Löcher

Die US-Physiker Kip Thorne und Rainer Weiss entwickelten seit den 70er Jahren die grundlegende Technik, mit der die Wellen schließlich gemessen wurden. Barry Barish perfektionierte die Technologie. Nun wollen Forscher die Gravitationswellen nutzen, um weiter ins All zu blicken als je zuvor - theoretisch könnte man damit sogar bis zum Urknall blicken.

„Vor 400 Jahren hat Galileo ein Teleskop auf den Himmel gerichtet. Ich glaube, wir tun heute etwas ähnlich Wichtiges. Wir eröffnen eine neue Ära“, hatte LIGO-Direktor David Reitze nach dem ersten Nachweis gesagt.

Bereits vier Nachweise geglückt

Der frisch gekürte Physik-Nobelpreisträger Rainer Weiss glaubte zuerst selbst nicht, dass seinem Team die Entdeckung von Gravitationswellen tatsächlich gelungen war. „Wir brauchten zwei Monate, bis wir wirklich überzeugt waren“, sagte der 85-Jährige am Dienstag in einem Telefonat nach Bekanntgabe seines Nobelpreises.

Mittlerweile sind Forschern bereits vier solche Nachweise geglückt: Beim letzten experimentellen Bravourstück war auch der französisch-italienische Gravitationswellendetektor VIRGO in Italien beteiligt.

1993 gab es schon einmal einen Physik-Nobelpreis für einen - allerdings nur indirekten - Nachweis von Gravitationswellen: Die US-Astronomen Joseph Taylor und Russell Hulse hatten 1974 zwei einander umkreisende Neutronensterne beobachtet. Ihre Umlaufzeit nimmt langsam ab, was sich exakt mit dem Energieverlust durch Gravitationswellen erklären lässt.

Triumph des Kollektivs

An dem Durchbruch im Jahr 2015 waren mehr als 1.000 Wissenschaftler der LIGO Scientific Collaboration beteiligt, darunter der österreichische Physiker Sascha Husa. „Es ist der Verdienst einer großen Community“, sagte Husa nach Bekanntwerden der diesjährigen Preisvergabe. Gemeinsam mit Kollegen an seinem Institut an der Uni der Balearen habe er deshalb die eine oder andere Flasche Sekt geöffnet.

Ähnlich sieht das der Vorsitzende des Nobelkomittees, Nils Martensson. Er sprach in Stockholm von einem „außergewöhnlichen Erfolg“, errungen durch den Einsatz und die Leistung eines interkontinentalen Kollektivs.

Die Auszeichnung sei „nicht ganz überraschend“ gekommen, so Husa. Die beteiligten Forscher hatten an der Entdeckung viele Jahre gearbeitet - unter anderem, um mit Hilfe von Computermodellen Lösungen für Einsteins Gleichungen zu finden.

Neben Husa waren das auch die aus Österreich stammenden Theoretischen Physiker Michael Pürrer, Patricia Schmidt, Gernot Heißel und Reinhard Prix. Husa: „Auch wenn man den Nobelpreis aufgrund des Regelwerks (das maximal drei Preisträger erlaubt, Anm.) nicht persönlich bekommt, ist das ein Grund für große Freude. Es zeigt, dass dieser Durchbruch gewürdigt und als wichtig erkannt wird.“

Medizinnobelpreis für innere Uhr

Am Montag waren die US-Forscher Jeffrey Hall, Michael Rosbash und Michael Young als diesjährige Nobelpreisträger für Medizin benannt worden. Sie hatten die Funktion und Kontrolle der inneren Uhr entschlüsselt.

Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag folgt die Bekanntgabe des diesjährigen Nobelpreisträgers für Literatur und am Freitag die des Friedensnobelpreisträgers. Am kommenden Montag ist dann die Wirtschaft dran. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

Im vergangenen Jahr hatten die gebürtigen Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz den Nobelpreis für Physik erhalten. Sie hatten exotische Materiezustände beschrieben, die für die Entwicklung von Quantencomputern und neuen Materialien wichtig sein könnten.

science.ORF.at/APA/dpa

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