Spaß an Bewegung schützt vor Essstörungen

Wer ein positives Körpergefühl entwickeln will, soll sich nicht nur viel bewegen, sondern das mit Freude tun. Das sei aber für Mädchen und Frauen oft nicht so einfach, meint eine US-Psychologin: Gesellschaftlicher Schönheitsdruck verringert den Spaß an der Sache.

Sich wohl fühlen in der eigenen Haut und sich nicht vorm Spiegel fürchten - den eigenen Körper zu mögen ist der beste Schutz vor Essstörungen. Darüber ist man sich in der Forschung einig. Offenbar haben Frauen damit aber größere Probleme als Männer. Von Essstörungen sind in Österreich achtmal so viele Frauen wie Männer betroffen und auch andernorts sind Anorexie, Bulimie und Binge Eating ein überwiegend weibliches Problem.

Mädchen mögen ihren Körper

Welche sozialen Faktoren im Laufe des Lebens entscheidend für das Körperbild von Frauen und Mädchen sind, untersuchte die Psychologin Niva Piran von der Universität Toronto in einer qualitativen Langzeitstudie. Über sechs Jahre hinweg führte sie mehrmals Interviews mit 70 Mädchen und Frauen im Alter von 9 bis 70 Jahren. Die Ergebnisse hat sie jetzt in einem Buch veröffentlicht. Darin untersucht sie unter anderem, wie sich das Körperbild in unterschiedlichen Lebensphasen verändert.

Buch

In ihrem Buch Journeys of Embodiment at the Intersection of Body and Culture. The Developmental Theory of Embodiment verbindet Niva Piran die qualitative Studie mit den Ergebnissen von quantitativen Studien, die sie in den letzten Jahren durchgeführt hat. Außerdem fließt Praxiswissen ein, das Piran als Therapeutin gesammelt hat.

Das beste Körperbild, so zeigte sich, haben Mädchen bis zum Alter von zehn Jahren. „Sie genießen es, sich aktiv in ihrer Umgebung zu bewegen. Sie tun das, weil es ihnen Freude bereitet.“ Das ändere sich aber, wenn sie zu Jugendlichen werden: „Da bricht das Selbstvertrauen ein. Einer der Gründe dafür ist, dass Mädchen dann mit gesellschaftlichen Erwartungen konfrontiert werden, die sehr geschlechtsspezifisch sind und an die erwachsene Frauen gewöhnt sind. Sie lernen etwa, dass sie stets sicherstellen müssen, dass sie attraktiv sind.“

Viele Mädchen hören in der Folge auf, körperlich aktiv zu sein. In den Interviews, die Piran führte, berichteten Mädchen ab dem Alter von zehn Jahren etwa davon, dass sie nicht in Gegenwart von anderen schwitzen wollten und sich deshalb aus gemeinsamen Aktivitäten zurückzogen. Der Spaß am Spiel tritt in den Hintergrund, das Aussehen in den Vordergrund.

Wenn die Bewegung zur Pflicht wird

Im Alter von 13 Jahren sei der Bezug zum eigenen Körper bereits ein überwiegend negativer, so die Psychologin. Mädchen wenden sich in diesem Alter wieder dem Sport zu, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied zur Kindheit: „Das Ziel sei jetzt, den Körper zu verändern und sicherzustellen, dass er straff und dünn ist. Die körperliche Aktivität verändert sich von einer natürlichen und freudvollen Art zu einer individuellen Arbeit, den Körper zu verändern. Spaß und Freude an der Bewegung gehen dabei verloren.“ Wer Sport aus einem Gefühl des Defizits heraus betreibt, könne aber schwieriger ein positives Körpergefühl entwickeln und leichter an einer Essstörung erkranken, erklärt Piran.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal: 19.10., 12:00 Uhr.

In Pirans Studie hatten drei der 70 Teilnehmerinnen eine klinische Essstörung. Weitere drei hatten subklinische Formen von Essstörungen, einzelne Diagnosekriterien waren also nicht erfüllt. Allerdings hatten 70 Prozent der Frauen und Mädchen ab 13 Jahren ein leicht gestörtes Essverhalten.

Das erkenne man beispielsweise daran, wenn sie sich beim Essen permanent selbst beschränken, sich dann aber phasenweise überessen. Wer etwa sehr restriktive Diäten hält, absichtlich nach dem Essen erbricht oder Abführmittel missbraucht, habe noch keine klinische Essstörung. Bereits hier sehe man aber den Zusammenhang mit einem negativen Körperbild, so Piran. Für die Prävention sei es wichtig, schon bei diesem leicht gestörten Verhalten anzusetzen.

Einer von vielen Faktoren

Piran betont, dass der mangelnde Spaß an der Bewegung nur ein Faktor sei, der das Risiko für Essstörungen erhöht. Ein weiterer entscheidender Risikofaktor seien Gewalterfahrungen. Diese würden dazu führen, dass der eigene Körper nicht mehr als sicherer Ort empfunden wird. Hier müsste es besseren Schutz geben. Außerdem müssten junge Mädchen einen kritischen Umgang mit Werbung und gesellschaftlichen Erwartungen an den eigenen Körper lernen.

Wie die Erkenntnisse am besten in der Therapie eingesetzt werden können, präsentiert die Psychologin beim Kongress Essstörungen 2017 des Netzwerks Essstörungen in Alpbach. Wichtig sei es jedenfalls, Spaß am eigenen Körper zu haben: Piran empfiehlt Yoga, Wandern, Gartenarbeit und Teamsport, bei dem der Spaß und die Gemeinschaft im Vordergrund stehen.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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