Forscher appellieren an die Politik

In mehreren Appellen wenden sich Forscher und Forscherinnen im Umfeld der Bonner Klimakonferenz an Öffentlichkeit und Politik: Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit sollten viel stärker im Mittelpunkt stehen als bisher.

Bereits vor einigen Tagen haben 50 Umweltwissenschaftler einen Brief an Bundespräsident Alexander Van der Bellen und die Parteiobleute der im Nationalrat vertretenen Parteien verfasst. Sie fordern, dass die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNO in den laufenden Koalitionsverhandlungen berücksichtigt werden.

Unter anderem solle die nachhaltige Entwicklung als Staatsziel verankert werden, fordern die Forscher, darunter Helga Kromp-Kolb von der Universität für Bodenkultur Wien, Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt und Ulrich Brand von der Universität Wien.

„Warnung an die Menschheit“

Der mengenmäßig größte Appell wurde am Montag im Fachjournal „BioScience“ veröffentlicht. Mehr als 15.000 Forscher aus über 180 Ländern – darunter auch einige aus Österreich – haben eine eindringliche „Warnung an die Menschheit“ unterzeichnet.

Die Aufforderung zu konsequenterem Umweltschutz ist der zweite derartige Aufruf nach einem ersten vor 25 Jahren. Damals hatten 1.700 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen - darunter viele Nobelpreisträger - neun besonders drängende Problemfelder wie Klimawandel, Waldabholzung und Schwinden der Artenvielfalt beschrieben.

Außer bei der Stabilisierung der Ozonschicht hätten die Menschen seither viel zu wenige Fortschritte gemacht, schrieb der Ökologe und Erstautor William Ripple von der Oregon State University. „Alarmierenderweise hat sich das meiste sogar verschlechtert.“

Aufruf auf Twitter, den Appell zu unterschreiben

University of Sydney

Aufruf auf Twitter, den Appell zu unterschreiben

Nur wenige Fortschritte

Die wichtigsten Trends der vergangenen 25 Jahre: Das Bevölkerungswachstum hält an, die Menge des pro Kopf verfügbaren Trinkwassers sank um etwa ein Viertel, viele Fischarten sind bedroht, 120 Millionen Hektar Wald wurden abgeholzt, die Zahl der Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Vögel und Fische sank um 29 Prozent, dafür stieg der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid um 62 Prozent.

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichten auch die Ö1-Nachrichten, 13.11.

Vereinzelt gebe es auch Fortschritte, betonte Ripple. So werde inzwischen vielerorts auf Chemikalien verzichtet, die die Ozonschicht schädigen. Erneuerbare Energien seien im Aufwind. Und in Regionen, in denen in Bildung von Mädchen und Frauen investiert werde, sinke die Geburtenrate.

„Klimaerwärmung nie da gewesenes Risiko“

Ebenfalls am Montag haben Klimaforscher und -forscherinnen im Umfeld der UNO-Klimakonferenz in Bonn eindringlich schnelle und umfangreiche Maßnahmen gegen die Erderwärmung angemahnt. Es gebe erwiesenermaßen ein „nie da gewesenes Risiko für die Menschheit durch die globale Erwärmung“, erklärte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, am Montag. Die Menschen müssten ihr kurzsichtiges Konsumverhalten überdenken, um ihren Fortbestand nicht weiter zu gefährden.

Schellnhuber überreichte mit Kollegen der UNO-Klimasekretärin Patricia Espinosa und den Verhandlungsdelegationen in Bonn eine Zusammenstellung der zehn entscheidenden wissenschaftlichen Befunde zum Klimawandel. Darunter der Umstand, dass sich die Erde Kipppunkten nähere, bei deren Überschreiten potenziell unumkehrbare Veränderungen in Ökosystemen wie der Arktis und dem Amazonas-Gebiet drohten.

Die Forscher warnten die Verhandler in Bonn, dass der Klimawandel Fluchtbewegungen, Unruhen und Konflikte verschärfe. Bereits 2015 seien weltweit 19 Millionen Menschen wegen Naturkatastrophen und extremen Wetterlagen auf der Flucht gewesen. Diese Zahl werde wahrscheinlich weiter steigen.

Die internationale Gemeinschaft müsse nun schnell handeln, forderten die Forscher. Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen nicht zurückgehe, sei das CO2-Budget für eine Einhaltung des Zweigradziels bereits in etwa 20 Jahren verbraucht.

science.ORF.at/dpa

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