Warum Frauen doppelt so oft Asthma haben

Frauen bekommen deutlich häufiger Asthma als Männer. Schon lange hat die Medizin Hormone im Verdacht, dafür verantwortlich zu sein. Eine US-amerikanische Studie bestätigt das nun - allerdings ist der Zusammenhang ein bisschen anders als angenommen.

Bisher hatte man hauptsächlich die weibliche Östrogene im Verdacht, Frauen anfälliger für Asthma zu machen. Diese Vermutung stützte sich auf zahlreiche Beobachtungen aus der medizinischen Praxis: So erkranken Buben deutlich öfter an Asthma als Mädchen - allerdings nur bis zur Pubertät, dann kehrt sich das Verhältnis um. Das Asthmarisiko von Frauen bleibt dann hoch bis zur Menopause, dann beginnt es wieder zu sinken.

„Als wir mit der Studie begonnen haben, hatten wir die These, dass Östrogene das Entzündungsrisiko erhöhen“, sagt deshalb auch die Asthma-Spezialistin Dawn Newcomb von der Vanderbilt Universität in Nashville. „Ich war überrascht zu sehen, wie wichtig auch Testosteron ist.“

Testosteron wirkt dämpfend

Die Studie zeigt: Das männliche Sexualhormon Testosteron wirkt dämpfend auf die Lungenzellen, allergische Reaktionen - und damit auch in weiterer Folge Asthma - werden reduziert. Dawn Newcomb und ihr Team konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf die ILC2-Zellen, die durch ein spezielles Eiweiß Entzündungen und Schleimproduktion in der Lunge ankurbeln können. Sie kommen bei Menschen mit Asthma häufiger vor als bei gesunden Menschen - und bei asthmatischen Frauen deutlich häufiger als bei Männern.

Im Mäuseexperiment brachten die Forscherinnen und Forscher diese Zellen in Kontakt mit Hormonen - zuerst mit Eierstockhormonen wie Östrogen und Progesteron, worauf die Zellen kaum reagierten. Wurde aber das männliche Testosteron hinzugefügt, produzierten die Zellen plötzlich weniger Eiweiß, die Entzündungsreaktion verringerte sich. „Wir kennen nun den molekularen Mechanismus, der hinter den zahlreichen Beobachtungen zu weiblichem Asthma steht“, sagt Erika Jensen-Jarolim von der Medizin-Universität Wien, Spezialistin für das weibliche Immunsystem, an der aktuellen Studie aber nicht beteiligt.

Anti-Baby-Pille und Asthma

Die beobachteten Effekte könnten auch erklären, warum die Anti-Baby-Pille Asthma verstärken kann: Viele Präparate verringern das Testosteron, das auch bei Frauen vorkommt, allerdings in einer deutlich geringeren Konzentration als beim Mann - und schrauben damit auch die dämpfende Wirkung des männlichen Hormons zurück. „Daran sollte eine Frau denken, falls das Asthma nach Verschreibung der Anti-Baby-Pille schlechter wird“, so Erika Jensen-Jarolim. Dann müsse man ein anderes Präparat auswählen.

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Über das Thema berichtete auch das Morgenjournal am 29.11.2017.

Testosteron dämpft also allergische Reaktionen der Lungenzellen. Im Umkehrschluss allerdings zu meinen, dass man nun mit dem männlichen Hormon Asthma bei Frauen behandeln könnte - das wäre verfehlt, so Jensen-Jarolim: „Testosteron wirkt vielfältig auf andere Körperzellen (etwa durch vermehrte Behaarung oder eine tiefere Stimme, Anm.), und das wollen wir Frauen eigentlich nicht“. Vielmehr gelte es, ein bei Allergie und Asthma verschobenes Immunsystem wieder in die Balance zu bringen. Ob dabei männliche Hormonen eingesetzt werden können, müsse man abwarten, so die Medizinerin. Und auch Studienautorin Dawn Newcomb schreibt: „Sexualhormone sind nicht der einzige Mechanismus, wenn es um Allergien und Asthma geht.“ Aber dennoch müsse er als einer von mehreren beachtet werden.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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