Was die Wissenschaft bewegte

Erfolg für Glyphosat, Hochschulen unter Druck, aber auch Chance für Schmetterlingskinder – das Jahr 2017 bot Spannendes aus den Labors, in der Forschungspolitik, im Umweltschutz. science.ORF.at blickt auf das Jahr zurück.

„Genschere“ an Embryonen getestet

Das Schlagwort in der Bio-Forschung ist auch heuer CRISPR. Das Gentechnik-Werkzeug wird immer häufiger in der Medizin eingesetzt: z.B. reparieren Forscher/innen aus Südkorea, China und den USA heuer mit dieser Methode ein Gen in menschlichen Embryos. Sie greifen dazu in die Verschmelzung von Spermien und Eizelle. Die Versuche finden im Reagenzglas statt; ein Kind hätte sich nicht entwickeln können.

So we could achieve, say, 90 to 100 percent efficency. So then, I would say, we would be ready to move to clinical trials.” Die Forscher wollen die Methode später einmal bei einer künstlichen Befruchtung einsetzen - vorausgesetzt, die Gesetzgeber erlauben das. In Österreich wäre es nicht erlaubt.

Abgesehen davon erhält die „Genschere“ heuer eine Adaptierung: US-Forscher entwickeln eine sanfte Variante. Sie heilt das Erbgut, ohne es zu schneiden. Bei Mäusen lassen sich damit verschiedene Krankheiten stoppen - bspw. Diabetes und Nierenleiden.

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Schmetterlingskind erhält 80 Prozent neue Haut

Von einer medizinischen Sensation berichten im September Forscher aus Österreich, Deutschland und Italien: und zwar von einer Behandlung der „Schmetterlingskrankheit“. Die schmerzhafte und mitunter tödliche Hautkrankheit galt bisher als unheilbar. Nun wurde erstmals eine Gentherapie an einem Kind durchgeführt - entwickelt wurde die Methode u.a. in Österreich, nämlich im Salzburger EB-Haus (einem Zentrum für die Schmetterlingskrankheit):

Dem Buben geht es überraschend gut. Wir haben vor kurzem ein Foto von ihm bekommen, wie er Go-Kart fährt in einem Vergnügungspark in Deutschland. Man kann sich vorstellen, dass es im Go-Kart-Fahren rumplig zugeht – das hat er bestens vertragen. Er führt ein normales Leben.“ schildert im Ö1-Mittagsjournal am 9. November Johann Bauer, medizinischer Geschäftsführer des „EB-Hauses Austria“.

Grafik: Gentherapie für Schmetterlingskrankheit

Nature News & Views

Die Arbeitsschritte der neuartigen Gentherapie

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Glyphosat für weitere fünf Jahre zugelassen

Das Unkrautvernichtungsmittel ist heuer alle paar Wochen Thema. Ein unüberbrückbarer Streit, wie es scheint, ob die Chemikalie krebserregend ist oder nicht. Mitunter erinnert der Streit an einen Krimi: Umweltorganisationen sprechen von geschönten Studien und gekaufter Wissenschaft. „Wir würden die Kosten niedrig halten, wenn wir schreiben und die einfach nur ihre Namen draufsetzen, um es einmal so zu sagen.“ …ein Zitat aus US-Gerichtsakten, über das science.ORF.at sowie das Ö1-Mittagsjournal am 22.3. berichten. Das Zitat stammt aus internen E-Mails von Monsanto-Mitarbeitern, in denen sie beratschlagen, wie sie Wissenschafter von ihrer Botschaft, Glyphosat sei sicher, überzeugen können.

Ö1-Sendungshinweis:

Einen Jahresrückblick bietet auch das Mittagsjournal am 30.12.2017.

Abgesehen von diesem Gerichtsfall in den USA und abgesehen von der wissenschaftlichen Debatte: Vorerst rechtliche Klarheit wird kurz vor Jahresende geschaffen. Die Europäische Kommission verlängert die Zulassung von Glyphosat für weitere fünf Jahre.

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Gigantischer Eisberg bricht in Antarktis ab

Im Juli löst sich ein riesiger Eisberg in der Antarktis; einer der größten Eisberge, die je beobachtet wurden – „one of the largest certainly“, schätzt Adrian Luckman vom internationalen Antarktis-Forschungs-Projekt "Midas“. Der neu entstandene Eisberg hat eine Fläche von 5.800 Quadratkilometern - das ist doppelt so groß wie Vorarlberg.

Satellitenbild: Eisberg A68

Distribution Airbus DS / AFP

A68 im Juli 2017

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„Cassini“ ist Geschichte

Im September verstummt eine bis dahin sehr erfolgreiche Weltraummission: Cassini. 20 Jahre im All, davon fast 13 Jahre Forschung in der Nähe des Planeten Saturn. Die Mission hat unter anderem 6 Monde des Saturn neu entdeckt und dank Cassini weiß man nun, dass die Saturn-Ringe nicht vor allem aus Eis, sondern überwiegend aus Staub bestehen.

Eines der letzten "Cassini"-Bilder vom Saturn

NASA/Jet Propulsion Laboratory-Caltech

Eines der letzten „Cassini“-Bilder vom Saturn

Das letzte Signal aus mehr als einer Milliarde Kilometern Entfernung erreicht die Erde am 15.9.2017 um 13:55 Uhr in Australien. „This has been an incredible mission“ kommentiert die NASA.

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Wissenschaft in Bedrängnis

Die Wissenschaft kommt heuer außerhalb Österreichs immer wieder in Bedrängnis – z.B. an der europäischen Uni in St. Petersburg, der die Lehrlizenz aberkannt wird; in der Türkei, wo wissenschaftliche Mitarbeiter/innen von Unis ihre Posten per Dekret verlieren oder in Ungarn, wo die Regierung Orban auf die international renommierte „Central European University“ Druck macht - eine private, mit US-Geld betriebene Uni, gegründet und finanziert vom Investor George Soros.

Michael Ignatieff, Rektor der CEU

Barbara Riedl-Daser, ORF

Michael Ignatieff, Rektor der CEU, beim Europäischen Forum Alpbach

Gegen die angedrohte Schließung gibt es Demonstrationen in Ungarn, Europa, den USA. Die CEU will in Budapest bleiben, obwohl - oder: gerade weil - sie dort nicht erwünscht ist, schildert Michael Ignatieff, Rektor der CEU, im August im Gespräch mit science.ORF.at: “We want to stay precisely, because we represent one of the remaining free institutions in the country. There is more purpose to CEU in Budsapest than anywhere else.

Die CEU bekommt im Herbst schließlich ein Jahr Galgenfrist und muss nicht mit erstem Jänner 2018 den Betrieb auf Raten schließen, sondern hat bis 2019 Zeit, den Bedingungen Ungarns Folge zu leisten.

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More to come 2018

Gentechnik, Glyphosat, Weltraum – der science.ORF.at-Jahresrückblick ist eine Auswahl der Redaktion. Eine kleine Auswahl wohlgemerkt – denn Wissenschaft und Forschung bieten täglich Spannendes, Skurriles oder manchmal gar Sensationelles. Wir halten Sie auch 2018 auf dem Laufenden.

Barbara Riedl-Daser, Ö1-Wissenschaft