Forscher hoffen auf weitere Abstimmung

Einmal direkte Demokratie, immer direkte Demokratie - auf diesen Slogan lässt sich die Hoffnung der britischen Vereinigung „Scientists for EU“ reduzieren. Sobald ein „Brexit“-Deal ausgehandelt ist, müsse noch einmal abgestimmt werden.

Die Unsicherheit spüre die Wissenschaft schon heute. „Ich bin unglücklich darüber, wie die Verhandlungen derzeit laufen“, sagt Mike Galsworthy, Mitbegründer und Sprecher der deklariert proeuropäischen „Scientists for EU“. Verhandelt werde derzeit von der Atomenergie über den Finanzmarkt bis zur Wissenschaft - „und unsere Regierung versucht, alle Themen gleichzeitig in einer lächerlich kurzen Zeitspanne zu besprechen.“ „Unverantwortlich“ nennt das der Mediziner von der London School of Hygiene & Tropical Medicine. Denn in allen Politikbereichen würden jahrzehntelange Verbindungen zwischen Großbritannien und der EU bestehen.

Wissenschaft als politisches Thema

Ein Gutes hat die „Brexit“-Debatte aber für Mike Galsworthy: Wissenschaft ist zu einem politischen Thema geworden - in der Wahl 2017 und auch nun in den Verhandlungen mit der EU. „Die Regierung hat Wissenschaft und Forschung ins Zentrum ihrer Wirtschaftsstrategie gestellt. Und unter (Premierministerin, Anm.) Theresa Mays zwölf Prioritäten für die Verhandlungen finden sich auch Wissenschaft und Innovation.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichten auch die Journale am 1.2.2018.

Großbritannien ist einer der Hauptprofiteure der EU-Forschungsförderung. Deshalb verwundert es auch nicht, dass die bisherigen „Brexit“-Verhandlungen die britische Teilnahme am Programm „Horizon 2020“ gesichert haben, über das die EU bis zum Jahr 2020 insgesamt 75 Milliarden Euro in die Forschung investiert. Auch bei den Raumfahrtprogrammen Galileo und Copernikus laufen die Verhandlungen auf Hochtouren.

Gestoppte Investments, sinkendes Interesse

Dennoch kann von einer Erfolgsgeschichte - zumindest in der Wissenschaft - bisher keine Rede sein. Mike Galsworthy berichtet von nicht besetzten Stellen, gestoppten Investments und sinkenden Zahlen bei den Austauschstudierenden. Britische Forscherinnen und Forscher werden schon jetzt gebeten, an Projekteinreichungen bei europäischen Stellen nicht teilzunehmen bzw. ihre Funktionen in Projektteams zurückzulegen, um eine Förderung nicht zu gefährden. Eine Erhöhung des Wissenschaftsbudgets, wie während der „Brexit“-Kampagne versprochen, hat es bis heute nicht gegeben.

Insgesamt seien die Auswirkungen bisher nicht dramatisch, aber die wissenschaftliche Attraktivität Großbritanniens habe gelitten, so Mike Galsworthy zusammenfassend. Die Rückbesinnung auf nationale Werte bringe der Wissenschaft keine Vorteile: „Wir wissen, dass Studien von internationalen Teams einen um 40 Prozent höheren Impact haben als von rein britischen Teams. Die besten Köpfe Europas und weltweit müssen unser Maßstab sein, nicht jene Großbritanniens.“

Nachteile im internationalen Austausch und den Verlust der Stimme, wenn es um die Gestaltung der EU-Forschungspolitik nach 2020 geht, sieht der EU-freundliche britische Forscher als Hauptprobleme des „Brexit“ - von dem Mike Galsworthy noch immer hofft, dass er so nicht kommt. Sobald der Austritts-Deal mit der EU vorliege, müsse man das Volk darüber abstimmen lassen, meint der Mediziner. Die britische Regierung hat eine zweite „Brexit“-Abstimmung bisher aber immer abgelehnt.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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