Für die Schule, nicht für das Leben

Wer in der Schule gute Noten hat, legt den Grundstein für seine spätere Karriere – könnte man zumindest meinen. Doch manche Persönlichkeitsmerkmale, die schulischen Erfolg versprechen, spielen im Beruf überhaupt keine Rolle. Und sie sind geschlechtsspezifisch.

Klar ist: Wer intelligent und gewissenhaft ist und nach Leistung strebt, hat gute Chancen auf Erfolg in Schule und Beruf, sagt Ursula Kessels, Professorin für Pädagogische Psychologie an der Universität Köln.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 20.2., 13:55 Uhr.

Aber es gibt auch Eigenschaften, die sich nur in der Schule oder nur im Beruf auswirken und die sind sehr geschlechtsspezifisch, beispielsweise Aggression: „Wer sich in der Schule aggressiv zeigt, muss bei gleicher Intelligenz mit schlechteren Schulnoten rechnen. Und dieses Verhalten zeigen Jungen in höherem Maße als Mädchen.“

Was später nützt

Kessels hat Persönlichkeitstests mit 236 jugendlichen Schülerinnen und Schülern und 124 berufstätigen Erwachsenen durchgeführt und sie mit Schulnoten und Daten über den beruflichen Erfolg abgeglichen. Dabei zeigte sich: „Beim beruflichen Erfolg schadet Aggression nicht. Also was den Jungen in der Schule noch schadet, tut es dann später nicht mehr.“

Als irrelevant für den beruflichen Erfolg erwies sich in der Studie auch die Verträglichkeit, also ob man mit anderen gut auskommt und sich hilfsbereit und einfühlsam zeigt. Dieses Verhalten wirkt sich positiv auf Schulnoten aus und ist bei Mädchen stärker ausgeprägt.

Umgekehrt gibt es Eigenschaften, die in der Schule keinen Einfluss haben, aber zu beruflichen Erfolg führen: Wer sich etwa dominant verhält, erhöht seine Karrierechancen. Während dieses Verhalten bei Männern stärker ausgeprägt ist, gibt es auch eine Eigenschaft, die bei Frauen öfter anzutreffen ist und der Karriere zuträglich ist: Das Streben danach, sich sozial eingebunden zu fühlen.

Schulperformance als „Mogelpackung“

Dass Eigenschaften, die Jugendliche in der Schule an den Tag legen, sehr stark von Stereotypen über Männlichkeit und Weiblichkeit geprägt sind, hat Kessels in früheren Studien gezeigt: „Wer sich in der Schule anstrengt, gilt als nicht als besonders männlich. Wer in der Schule stört, hingegen schon.“ Auch wenn die Lehrerinnen und Lehrer mit Tadel darauf reagieren, können Burschen ihr Selbstwertgefühl dadurch steigern, dass sie im Unterricht stören.

„Was uns in der Schule als erwünschtes Verhalten verkauft wird, ist möglicherweise eine Mogelpackung“, sagt Kessels. Denn was in der Schule belohnt wird, führt später nicht unbedingt zum Erfolg. Aggressives Verhalten in der Schule nicht mehr zu sanktionieren oder Dominanz zu fördern, wäre jedenfalls keine Lösung. Aus ihrer Sicht ist es eher wünschenswert, dass sich in der Berufswelt und an den Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit etwas ändert.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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