Belege für späte Geburt von „Tschuri“

Forscher finden mehr und mehr Hinweise darauf, dass der Komet Tschurjumow-Gerassimenko („Tschuri“) jünger sein könnte als angenommen. Computersimulationen zeigen nun, dass er nach einem heftigen Zusammenstoß größerer Körper entstanden sein könnte.

Solche Kollisionen gab es auch in einer späteren Phase unseres Sonnensystems. Das bedeutet, dass „Tschuri“ nicht unbedingt aus dessen Anfangsphase vor 4,5 Milliarden Jahren stammt, wie immer wieder behauptet wird. Bei der neuen Computersimulationen ließ ein internationales Forschungsteam große Kometenkerne heftig aufeinanderprallen und untersuchte, was danach geschah.

Die Studie

„Catastrophic disruptions as the origin of bilobate comets“, „Nature Astronomy“, 5.3.2018

„Die Berechnungen zeigten, dass sich ein großer Teil des Materials in vielen kleineren Körpern ansammelt“, so Martin Jutzi vom Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern in einer Aussendung. Die neu entstandenen Objekte haben unterschiedliche Größen und Formen, einige davon sind länglich und in ähnlicher Art zweigeteilt wie der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko.

Geringe Dichte

„Wir waren überrascht, dass bei den gewaltigen Kollisionen offenbar nur ein geringer Teil des Materials beträchtlich komprimiert und erhitzt wird“, sagte Jutzi. Dieses Material fliegt zudem weg und trägt kaum zum Aufbau der verbleibenden kleineren Körper bei, die eine neue Generation von Kometenkernen bilden. Auf der anderen Seite des Kometen, die dem Einschlagspunkt gegenüberliegt, überstehen flüchtige Stoffe aber selbst heftige Zusammenstöße.

Die neue Kometengeneration hat deshalb ebenfalls eine geringe Dichte und ist reich an flüchtigen Stoffen. Diese Eigenschaften wurden auch bei „Tschuri“ nachgewiesen. Der entenförmige Komet kann also durchaus nach einer heftigen, späten Kollision entstanden sein.

Schichtstruktur

In der Simulation wurde untersucht, was passiert, wenn verschieden große Körper in unterschiedlichen Winkeln und mit Geschwindigkeiten von 20 bis 3.000 Meter pro Sekunde aufeinanderprallen: Kleine Fragmente fügten sich in den Stunden und Tagen nach der Kollision sanft wieder zu vielen vorübergehenden Ansammlungen zusammen.

Das bietet auch eine mögliche Erklärung für „Tschuris“ rätselhafte Strukturen. Während der Komet seine Form erhalten hat, sammelten sich auf ihm gemäß Simulation weiterhin kleine Teile aus der Umgebung an. Dieses Material wiederum könnte beim Auftreffen auf der Oberfläche flach gedrückt worden sein und so zu einer Schichtstruktur geführt haben. Wenn sich große Blöcke anhäufen, werden so möglicherweise Hohlräume geschaffen, die sich zu ausgedehnten Gruben entwickeln können. Genau solche Strukturen hat die „Rosetta“-Sonde auf „Tschuri“ entdeckt.

Nicht so alt

Bereits in früheren Studien waren Jutzi und Kollegen zum Schluss gekommen, dass der Komet seine Form nicht bereits bei der Entstehung des Sonnensystems erhielt. Die Forscher zeigten, dass dessen Schwachstelle, der dünne Hals zwischen den beiden Kometenteilen, nicht mehrere Jahrmilliarden mit vielen Zusammenstößen hätte überstehen können.

Zudem hätte „Tschuri“ auch bei einem vergleichsweise sanften Einschlag entstanden sein können. In ihrer aktuellen Forschung untersuchten die Astrophysiker sehr heftige Kollisionen, bei denen viel mehr Energie involviert ist. Die neuen Berechnungen erweitern also die Entstehungsszenarien und liefern mögliche Erklärungen für die auffällige Strukturen.

science.ORF.at/APA/sda

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