Neuer Standard 5G weckt alte Ängste

Der 5G-Standard soll in der Mobilkommunikation neue Möglichkeiten eröffnen - dazu braucht es allerdings mehr Sendemasten, die mit höherer Frequenz strahlen. Sind damit auch neue Gefahren für die Gesundheit verbunden?

Autonom fahrende Autos mit ultrakurzer Reaktionszeit; Maschinen, die mit einander kommunizieren; hochauflösende Spielfilme in Sekunden am Tablet - all das soll durch 5G möglich werden. Der technische Trick dabei: höhere Frequenzen, über die große Datenpakete übermittelt werden. Heute senden die bestehenden Netze im Bereich von 790 Megahertz bis maximal 2,6 Gigahertz. 5G würde möglicherweise Frequenzen von bis zu 70 oder 80 Gigahertz verwenden.

Der Umweltepidemiologe Martin Röösli vom Institut für öffentliche Gesundheit in der Schweiz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Mobilfunkstrahlung. Hinsichtlich der Frequenzen gibt er Entwarnung: „Viele Leute denken: Eine höhere Frequenz muss gefährlicher sein. Aber das ist nicht unbedingt so.“ Ab 300 Gigahertz etwa ist man im Bereich der Infrarotstrahlung, die von Menschen problemlos vertragen wird.

Ö1 Sendungshinweis

Über Mobilfunkstrahlung und Gesundheit berichtet auch das Journal am 17.03.2018.

Mehr Masten, mehr Strahlung?

Neben der höheren Frequenz sorgen auch die zusätzlichen Antennen für Ängste. Für Österreich rechnet die Rundfunkregulierungsbehörde RTR mit rund 10.000 zusätzlichen Antennen, wenn 5G ausgerollt wird. Denn oberhalb von ungefähr sechs Gigahertz verkürzen sich die Wellen so stark, dass sie sich deutlich schlechter ausbreiten und von Gebäuden und Bäumen schneller aufgehalten werden. Steigt damit insgesamt die Strahlenbelastung? Martin Röösli: „Handymasten erzeugen relativ tiefe Strahlenbelastungen, dafür aber über eine lange Zeit. Es gibt nur wenige Studien zur Belastung durch Antennen. Bisher wurden keine Gesundheitsrisiken nachgewiesen.“

Handymasten auf Wohnhaus

LOIC VENANCE / AFP

Die größte Strahlenbelastung geht von Mobiltelefonen aus - nicht von Handymasten

Zuletzt ist etwa eine niederländische Studie erschienen, in der die Häufigkeit von „unspezifischen Symptomen“ wie Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen und Hautirritationen in der Nähe von Handymasten untersucht wurde. Ihr Ergebnis: Obwohl das Netz stark verdichtet wurde, treten diese Symptome im Vergleich von sechs Jahren nicht häufiger auf. Einzige Ausnahme: Menschen, die sich selbst als empfindlich für elektromagnetische Strahlung beschreiben.

„Experiment mit unklaren Folgen“

Also alle gesundheitlichen Bedenken ausgeräumt? Nein, sagt der Schweizer Mobilfunkexperte. Die kürzeren Wellen der 5G-Strahlung dringen nicht in den Körper ein, sie prallen an der Haut ab: „Das wirft natürlich die Frage auf, ob die Haut anders betroffen ist als bisher. Dazu hat man bisher kaum Studien gemacht, hier wären Untersuchungen auf jeden Fall wünschenswert.“

Umstrittene Gehirntumore

Ob Mobiltelefone Gehirntumore auslösen können, wird seit Jahren leidenschaftlich diskutiert. 2011 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) häufiges Telefonieren mit dem Handy als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft. Gleichzeitig ist die Häufigkeit von Gehirntumoren in Österreich seit 30 Jahren kaum gestiegen. Nach jetzigem Stand der Wissenschaft ist die Debatte noch nicht entschieden.

Diese Unsicherheit ist es auch, weshalb 240 Medizinerinnen und Mediziner aus der ganzen Welt schon 2015 einen Appell unterzeichneten. Sie fordern, mit dem Ausbau von 5G zu warten, bis es mehr wissenschaftliche Klarheit zu den gesundheitlichen Effekten gibt. Auch Piero Lercher, Referatsleiter für Umweltmedizin der Wiener Ärztekammer, spricht in Sachen 5G von einem „Experiment mit unklaren Folgen“: „Sowohl Befürworter als auch Gegner können keine Langzeitstudien präsentieren, deshalb müssen wir als Ärzte nach dem Vorsorgeprinzip Präventionsmaßnahmen etablieren.“

Zu diesen Präventionsmaßnahmen gehört auch ein vernünftiger Umgang mit mobilen Geräten, von denen, auch das zeigen Messungen, derzeit die meiste Strahlenbelastung ausgeht. Die Ärztekammer hat zehn Handyregeln veröffentlicht, als eine der wichtigsten nennt Piero Lercher: „Der Abstand ist dein Freund. Jede Betriebsanleitung eines Telefons beschreibt einen Mindestabstand zum Ohr. Das wissen die wenigsten Leute.“

Tipp: SAR-Wert checken

Besonders dann, wenn die Verbindung schlecht ist, strahlt das Handy intensiv - verdoppelt man den Abstand vom Körper, etwa indem man über Lautsprecher oder Kopfhörer spricht, reduziert sich die Belastung um die Hälfte. Außerdem sollte das ständige Tragen am Körper vermieden, wo möglich, auf kabelgebundene Verbindungen zurückgegriffen werden. Außerdem sollte man sich über den SAR-Wert des Handys informieren, etwa beim deutschen Bundesamt für Strahlenschutz, oder auch bei den Herstellern selbst - je geringer der SAR-Wert ist, desto weniger erwärmt sich das Gewebe durch die Strahlung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Grenzwert von 2,0 W/kg.

Ob und wie sich 5G mit seiner höheren Antennendichte auf die Strahlung von Mobilgeräten auswirken wird, ist heute noch unklar. Es könnte auch sein, dass sie durch bessere Verbindungen sinkt. Denn am meisten strahlt ein Handy, wenn es wegen schlechter Verbindung eine hohe Sendeleistung aufbauen muss. Die Unsicherheit überwiegt also in vielen Fragen, deshalb ist sich die Wissenschaft vor allem in einem Punkt einig: Es braucht weitere Studien.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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