„Naschkatzen-Gen“ macht schlank

Wer die Finger von Schokolade nicht lassen kann, trägt womöglich ein „Naschkatzen-Gen“ im Erbgut. Dick macht dieses Gen laut einer neuen Studie allerdings nicht - im Gegenteil: Es fördert sogar die Verbrennung von Körperfett.

Das Leben ist ungerecht. Die einen nehmen schon zu, wenn sie Süßigkeiten nur ansehen. Und die anderen essen Schokolade wie Brot - und bleibend dennoch gertenschlank. Hat das etwas mit der Genetik zu tun? „Mit Sicherheit“, sagt Tim Frayling von der University of Exeter: „Schon allein deswegen, weil jedes körperliche Merkmal von Genen und der Umwelt beeinflusst wird. Wir haben in den letzten Jahren auf diesem Gebiet viel dazu gelernt. Es gibt Gene, die beeinflussen, wie viel Fett wir ansetzen und wieviel Alkohol wir trinken.“

Schlanker, aber höherer Blutdruck

FGF21 ist etwa ein solches. Die sogenannte A-Variante des Gens disponiert nämlich für erhöhte Zuckeraufnahme, wie dänische Wissenschaftler letztes Jahr herausgefunden haben. „Naschkatzen-Gen“ wurde es genannt, auch hier in diesem Medium. Frayling fügt dem in einer aktuellen Studie nun einige überraschende Erkenntnisse hinzu: FGF21 hat offenbar auch Einfluss auf den Body-Mass-Index und das Körperfett. Menschen, die die A-Variante in ihrem Erbgut tragen, sind statistisch gesehen schlanker - wenn auch nicht unbedingt gesünder.

Denn sie lagern ihr Körperfett eher um die Körpermitte an (und weniger an Hüften oder Beinen) und haben außerdem einen höheren Blutdruck. Die Träger der A-Variante trinken auch mehr Alkohol und werden auch häufiger niktotinabhängig. Dies deshalb, weil das „Naschkatzen-Gen“ wohl das Belohnungszentrum im Gehirn beeinflusst, sagt Frayling, der diese statistischen Zusammenhänge aus Daten der UK Biobank gewonnen hat. In der britischen Datenbank sind Befunde von 500.000 Probanden versammelt, unter anderem auch zu Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil.

Nur geringe Effekte

Rund 20 Prozent der Bevölkerung tragen zwei Kopien der A-Variante in ihrem Erbgut. Grund für Jubel oder Verzweiflung ist das allerdings nicht. Denn die Effekte des Gens sind gering. Beim Zucker sorgt FGF21 etwa nur für ein Plus von 0,2 Prozent in der gesamten Nährstoffbilanz. Was den Blutdruck anlangt, liegt der Unterschied bei einem Drittel Millimeter auf der Quecksilbersäule (also etwa 120,33 statt 120 systolisch). Und beim Alkohol sind es sieben zusätzliche Gläser Wein pro Jahr. Wie groß die Effekte beim Körpergewicht oder dem Fettanteil sind, können die Forscher noch nicht genau beziffern. Es bleibt aber zu vermuten: Auch hier werden sie nicht allzu groß sein.

Keinen Einfluss hatte FGF21 übrigens auf Diabetes. Das war überraschend, sagt Frayling gegenüber science.ORF.at. „Pharmafirmen untersuchen schon seit Jahren, ob FGF21 ein Ansatzpunkt für die Behandlung von Diabetes wäre. Laut unseren Ergebnissen ist das unwahrscheinlich.“ Das Gen eigne sich wohl eher für die Entwicklung neuer Blutdruck-Medikamente, eventuell auch für die Behandlung von Übergewicht.

Robert Czepel, science.ORF.at

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