Neuer Rekord mit 20 Quantenbits

Quantencomputer sollen eines Tages viel schneller rechnen können als heutige Computer. Österreichischen Physikern ist nun ein neuer Rekord mit ihrer Recheneinheit gelungen: Sie schufen ein System mit 20 kontrollierbaren Quantenbits.

Fragt man Rainer Blatt vom Institut für Experimentalphysik der Uni Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wann denn der Quantencomputer komme, verweist er lakonisch auf den Keller seines Instituts: Dort hat er 2011 einen solchen mit 14 verschränkten Ionen realisiert. Im kleinen Maßstab konnte er mit seinem Team damit bereits Quantenrechnungen und -simulationen durchführen. Nun haben die Forscher die Marke weiter nach oben geschraubt, wie sie im Fachjournal „Physical Review X“ berichten.

Qubits statt Bits

Einzelne in Ionenfallen gehaltene Atome, die mit Lasern manipuliert werden können, gelten als vielversprechendes Grundkonzept für die Realisierung praktikabler Quantenbits. Auf deren Basis sollen Quantencomputer künftig ihr volles Potenzial entfalten und bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen können als klassische Rechner. Zunutze macht man sich dabei die besonderen Gesetze der Quantenphysik.

Während die grundlegende Informationseinheit des Computers das Bit ist, das exakt zwei Zustände einnehmen kann (0 oder 1), arbeitet der Quantencomputer mit Qubits. Diese Quantensysteme gehorchen den Gesetzen der Quantenphysik und können daher nicht nur „0“ und „1“, sondern auch beide Zustände gleichzeitig annehmen. Die Physiker nennen dies Superposition.

Zudem müssen in einem Quantencomputer mehrere Qubits miteinander verschränkt werden. Bei diesem von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichneten Phänomen bleiben zwei Quantensysteme über beliebige Distanzen miteinander verbunden. Was immer man mit einem tut, beeinflusst augenblicklich auch den Zustand des anderen.

Illustration zeigt die Verschränkung zwischen benachbarten Atompaaren (blau), Atomdrillingen (rosa),Vierlingen (rot) und Fünflingen (gelb).

IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Illustration: Verschränkung zwischen benachbarten Atompaaren (blau), Atomdrillingen (rosa),Vierlingen (rot) und Fünflingen (gelb).

Ionenfalle mit 20 Kalziumionen

Physiker können heute bereits eine große Zahl an Teilchen verschränken, etwa in ultrakalten Gasen. Für Quantenrechnungen muss man aber die einzelnen Qubits individuell ansprechen und auslesen können - und das ist dem Team um Rainer Blatt und Ben Lanyon nun mit der Rekordzahl von 20 Qubits gelungen. Die Physiker vom IQOQI in Innsbruck haben dafür in einer Ionenfalle 20 Kalziumionen mit Hilfe von Laserlicht verschränkt.

Das Problem dabei ist der zuverlässige Nachweis der Verschränkung so vieler Teilchen. Üblicherweise ist dafür eine Vielzahl von wiederholten Messungen notwendig. Bei großen Systemen mit mehreren Qubits bindet dies viel Zeit und Ressourcen bzw. wird rasch unmöglich.

Ein Team um Nicolai Friis vom IQOQI in Wien hat eine Methode entwickelt, die nur wenige Messungen erfordert und deren Ergebnisse sich leicht auswerten lassen. Zudem haben die Ulmer Kollegen eine komplexere Nachweistechnik verwendet, die auf numerischen Methoden beruht.

50 Teilchen als mittelfristiges Ziel

So konnten die Wissenschaftler beobachten, wie sich die Vielteilchenverschränkung in dem 20-Qubit-System dynamisch ausbreitet. „Die Teilchen werden zunächst paarweise verschränkt“, so Lanyon in einer Aussendung. Dann ließ sich mit den in Wien und Ulm entwickelten Methoden die weitere Ausbreitung der Verschränkung auf alle benachbarten Teilchendrillinge, die meisten Vierlinge und einige Fünflinge nachweisen. Mehr ging nicht, dann wurde das System zu komplex, um es mit bestehenden Techniken zu charakterisieren.

Das neue 20-Qubits-System eignet sich jedenfalls bereits für konkrete Anwendungen wie Quantensimulationen oder Quanteninformationsverarbeitung. Zufrieden sind die Physiker damit aber noch nicht: Einerseits sollen die neu entwickelten Methoden zum Nachweis der Quantenverschränkung weiter optimiert werden, um noch umfangreichere Vielteilchenverschränkungen nachweisen zu können.

Zudem wollen Blatt und sein Team die Zahl der Quantenbits weiter steigern: „Unser mittelfristiges Ziel liegt bei 50 Teilchen“, sagte er. Damit könnte man dann Aufgaben lösen, an denen die besten Supercomputer heute noch scheitern.

science.ORF.at/APA

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