Wie Umstieg von Autos auf „Öffis“ funktioniert

Die meisten ächzen im Stau, aber kaum einer will auf sein Auto verzichten. Psychologen glauben nun, den idealen Zeitpunkt für eine Verhaltensveränderung gefunden zu haben: nämlich dann, wenn sich Lebensumstände ändern, wie ein Berliner Projekt zeigt.

„Wir sind einfach eine ultrasoziale Spezies“, sagt der Umweltpsychologe Sebastian Bamberg von der FH Bielefeld. Gemeint ist, wir schauen ständig, was andere tun und was sie gut finden. Das tun wir vor allem über Gespräche mit Bekannten, die uns etwas bedeuten. „Es ist sehr interessant: Meine Frau fährt seit Kurzem ein Elektroauto. Sie ist Tierärztin und viele Kunden vertrauen ihr. Sie glauben nicht, wie viele sie jetzt darauf ansprechen. Zwar haben ihre Kunden bereits eine abstrakte Idee davon, E-Autos zu fahren. Aber sie wollen letztlich von einem für sie wichtigen Menschen hören, ob das OK ist und ob das wirklich funktioniert, weil das viel glaubwürdiger ist“, erzählt der Umweltpsychologe.

Wie die Forschung zeigt, passen wir über solche Gespräche unsere sozialen Normen immer wieder an, also das, was als gut, machbar und cool gilt. „Es zeigt sich: Wenn alle Ihre Kollegen mit dem Rad fahren, werden Sie sich früher oder später auch überlegen, umzusteigen.“ Diesen Mechanismus will sich der Umweltpsychologe zunutze machen, um mehr Menschen dazu zu bringen, umweltfreundlicher zu handeln.

Veranstaltungshinweis

Sebastian Bamberg hält am Donnerstag, den 14.6. im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Mut zur Nachhaltigkeit“ in Wien den Vortrag „Zur Psychologie individueller Verhaltensänderung und gesellschaftlicher Aktivierung“. Veranstalter der Vortragsreihe ist das Umweltbundesamt.

Die wenigsten ändern sich von selbst

Denn von selbst ändern sich die wenigsten. „Es gibt natürlich diese Avantgarde-Gruppe, die ein spezielles Werteprofil hat und sich stark über Umweltfreundlichkeit definiert.“ Für die Mehrheit kommt umweltfreundliches Verhalten „ziemlich weit hinten“, sagt Bamberg. Doch selbst wenn Menschen wissen, was umweltfreundlich wäre und sogar die Absicht formuliert haben, etwas zu ändern, scheitern sie doch an ihren Gewohnheiten, die den Alltag lenken. „Ob sie mit dem Bus oder dem Auto fahren, überlegen sie sich nicht mehr bewusst. Dieser Mechanismus wird von selbst in Gang gesetzt und ist damit wesentlich schneller, als wenn sie sich bewusst für eine Alternative entscheiden. Deshalb sitzen sie dann letztlich wieder im Auto statt im Bus.“

Berlin: Ein Jahr gratis Öffis für „Neue“

Ein geeigneter Moment, um aus dieser Gewohnheitsschleife auszubrechen, ist, wenn sich die Lebenssituation verändert, wie Bamberg anhand eines Forschungsprojektes in Berlin erläutert. Demnach seien günstige Momente etwa Umzug, Jobwechsel, wenn Nachwuchs kommt oder man in den Ruhestand geht. „Hier sind Sie sehr empfänglich für neue Angebote.“ Doch diese müssen von außen kommen. „Wir haben hier mit den Kommunen eng zusammengearbeitet und jene, die gerade hergezogen sind, kontaktiert und ihnen, sofern sie das wollten, angeboten, ein Jahr gratis mit den Öffentlichen zu fahren und eine kompakte Stadtkarte mit einschlägigen Wegen zugeschickt.“

Tatsächlich: Jene Gruppen, die dasselbe Angebot bekommen haben, obwohl sich in ihrem Leben gerade nichts verändert hatte, stiegen kaum auf den Öffentlichen Verkehr um. „Der Grund: Ist man umgezogen, muss man wieder verschiedene Vor- und Nachteile aktiv gegeneinander abwägen. Und das brauchen wir für Veränderung.“

Ähnliches passiert auch, wenn sich die Infrastruktur ändert. Also Radwege und öffentliche Verkehrsmittel ausgebaut und Straßen für Autos etwa gesperrt werden. Auch dadurch wird das eigene Verhalten neu beurteilt. „Das hören zwar viele nicht gerne: Aber sie müssen auf der einen Seite Pkw-Nutzung unattraktiver machen. Das ist eine Voraussetzung, damit Leute einen Anreiz haben, über Alternativen nachzudenken.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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