Weltkulturerbe: Ozeane werden geplündert

Tagtäglich verschwinden weltweit wertvolle Kulturgüter - nicht nur an Land, sondern auch unter Wasser, warnen Experten: Versunkene Städte und Schiffwracks werden durch Kriminalität und Klimawandel bedroht.

Die Weltmeere sind der Menschheit größtes Museum, sagt Unterwasser-Archäologe Peter B. Campbell von der British School of Rome. Die Ozeane seien wie eine Zeitkapsel, in der es Wracks antiker Schiffe, versunkene Städte und rituelle Gegenstände zu entdecken gibt. Trotz ihrer enormen Bedeutung wurden die am Meeresgrund verborgenen Gegenstände bis dato - im Vergleich zu Ausgrabungen an Land - nur wenig erforscht.

Die Rolle der Meere als Bewahrer von Welterbe werde von der Politik unterschätzt, sagt Campbell. Seiner Erfahrung nach sei es schwer, den Regierungen die Bedeutung der Unterwasserarchäologie näherzubringen - mit der Folge, dass es kaum Kontrollen gibt, wer was wann aus den Meeren „fischt“.

Plünderungen nehmen zu

Moderne Piraten sind laut Campbell den Regierungen und Gesetzen einen Schritt voraus. Mit steigendem Elan hätten sie angefangen, die auf dem Meeresgrund liegenden Schätze aus Statuen, Amphoren, Münzen etc. zu heben. Die Ozeane würden systematisch geplündert und mit den im Meer gefundenen Antiquitäten illegaler Handel betrieben.

Taucher im Meer; auf dem Meeresboden: antike Amphoren

Peter Campbell

Schätze auf dem Meeresboden

Es gebe zwar Gesetze, die dies verbieten, aber kaum jemand beachte sie, Sanktionen für die Diebe gebe es keine, kritisiert Campbell - und gibt ein Beispiel: Wenn man im Supermarkt Eier kaufe, wisse man besser darüber Bescheid, woher sie kommen, als wenn man eine antike Tonfigur am freien Markt angeboten bekommt. Einige dieser Gegenstände seien Millionen von Dollar wert. Terroristen etwa würden so zu viel Geld kommen.

Plastikmüll und Klimawandel

Aber nicht nur Kriminelle setzen dem Welterbe in den Meeren zu, sondern auch der vom Menschen zu verantwortende Klimawandel. Durch ihn gerate, langsam aber stetig, das Gleichgewicht der Meere ins Wanken, so Campbell. Die Ökosysteme, die sich rund um versunkene antike Schiffe gebildet haben, verändern sich. Darüber hinaus verschmutzt Plastikmüll die versunkenen Städte und Wracks. Er sei, sagt Campbell, immer wieder fassungslos, wenn er sich einem 2.000 Jahre alten Schiffswrack in 100 Meter Tiefe nähere und dort dann inmitten des Fundes eine Plastikflasche treibe.

Für Campbell steht außer Frage, dass die Unterwasser-Archäologie eine wichtigere Rolle spielen sollte beim Schutz unseres Kulturerbes. Der Wettlauf zwischen denen, die Kulturgüter schützen wollen, und jenen, die durch ihren Raub profitieren wollen, sei auf jeden Fall in vollem Gang.

Gudrun Stindl, Ö1-Wissenschaft

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