Peter Kampits: Für ein engagiertes Denken

Peter Kampits versteht sich als Philosoph, für den die existenziellen Probleme des Menschen im Mittelpunkt stehen. Philosophie sollte Orientierungshilfen für ein verantwortliches Leben anbieten, was im Zeitalter der Biowissenschaften höchst aktuell ist.

Zu Ehren des 75. Geburtstages von Peter Kampits findet am 29. Juni ein Kolloquium an der Universität Wien statt, in dem einige Schwerpunkte seines Denkens erörtert werden. Kampits feierte eigentlich schon vor einem Jahr seinen runden Geburtstag, die Ehrung wurde aus Krankheitsgründen aber auf heuer verschoben.

“Keine transzendentale Wolkentreterei“

Ein zentraler Aspekt der philosophischen Arbeit von Kampits besteht in der Präsentation und Interpretation der französischen Existenzialisten Jean-Paul Sartre, Albert Camus und Gabriel Marcel. Ausgelöst wurde diese eingehende Beschäftigung durch ein einjähriges postgraduales Studium an der Pariser Universität Sorbonne.

Veranstaltung

“Philosophie im Übergang vom 20. zum 21. Jahrhundert“ zu Ehren des 75. Geburtstags von Peter Kampits: 29.6.2018, 13 - 17 Uhr, BIG Hörsaal, Universität Wien, Universitätsring 1, 1010 Wien

In Paris lernte er Sartre persönlich kennen und war als Sekretär für den christlichen Existenzphilosophen Gabriel Marcel tätig, wie Kampits im Gespräch mit science.ORF.at bemerkte. Diese Begegnungen waren der Anstoß, über den Sinn von Philosophie nachzudenken: „Sie sollte sich nicht auf eine transzendentale Wolkentreterei beschränken, sondern Anleitungen für eine Ars vivendi geben.“

Die Auseinandersetzung mit Sartre manifestierte sich in zwei Publikationen. In der verständlich verfassten Einführung in das Denken des umstrittenen Philosophen ging Kampits vorerst auf die Biografie Sartres ein; auf die Kindheit, die der verzärtelte „Poulou“ - so sein Rufname - bei den Großeltern verbrachte; den Hass auf das Bürgertum, die Begegnung mit Simone de Beauvoir, die Rolle als Vordenker des Existenzialismus, die Verteidigung des Stalinismus und das politische Engagement während der Studentenrevolte im Mai 68.

Porträt von Peter Kampits

Verlag Carl Ueberreuter

Mit Sartre für die Freiheit des Individuums

Für Kampits steht das Recht des Menschen, das eigene Leben ohne Anleitung zu führen, im Zentrum von Sartres Werk. Die Entfaltung des Individuums darf keineswegs von religiösen oder ideologischen Instanzen gelenkt werden. Der Einzelne beginnt seine Existenz erst tatsächlich zu führen, wenn er die Einschränkungen der vorgegebenen sozialen, politischen oder kulturellen Verhältnisse, die Sartre als Faktizität bezeichnet, nicht länger akzeptiert.

Es geht nun darum, die Faktizität zu überschreiten, zu transzendieren. Die Ablösung aus dem Kontext des Vertrauten ist die Grundvoraussetzung für Freiheit. Sartres Maxime lautete: „Es kommt darauf an, etwas aus dem zu machen, wozu man gemacht wurde.“

Biographie

Peter Kampits wurde am 28. Juni 1942 in Wien geboren. Er studierte Philosophie, Psychologie und Geschichte an der Universität Wien und promovierte 1965 zum Thema „Das Bild des Menschen bei Albert Camus“. 1966/67 absolvierte Kampits ein Post-Graduate-Studium an der Pariser Sorbonne, 1970 war er Visiting Professor an der University of Alaska in Fairbanks. 1974 habilitierte er sich mit einer Arbeit zu Jean Paul Sartre und Gabriel Marcel und wurde 1977 zum Professor für Philosophie ernannt. Er lehrte als Gastprofessor an der Beyazit Universität Istanbul und war Vorstand des Instituts für Philosophie. Von 2012 bis 2016 leitete er das Zentrum für Ethik in der Medizin an der Donau-Universität Krems.

Diese erste „existenzialistische“ Phase Sartres steht im Mittelpunkt von Kampits Einführung. Er thematisiert aber auch den Bruch in Sartres Denken, der nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte. Seine existenzialistische Phase, in der er die unbedingte Freiheit des Menschen propagierte („Der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht“), verwarf er nach dem Zweiten Weltkrieg als „kleinbürgerliche Philosophie“. Er wandte sich dem Marxismus zu und analysierte das Individuum unter den Bedingungen der jeweiligen Gesellschaftsformation. Nun stand nicht mehr der Einzelne im Mittelpunkt, sondern die revolutionäre Gruppe, mit deren Hilfe sich der Mensch aus seiner Isolation befreien kann.

Das Fazit von Peter Kampits: „Sartre verdient es auch heute noch, als Philosoph ernstgenommen zu werden, als jemand, der unablässig für die Freiheit eintritt, eine Freiheit, die nie ohne Verantwortung sein kann und die ebenso oft hochgehalten wie missachtet wird."

Camus‘ Revolte

Ein weiteres Ergebnis der Beschäftigung mit dem französischen Existenzialismus war die Studie „Zur Aktualität von Albert Camus“. Aktuell war für Kampits die permanente Revolte des Dichters und Philosophen gegen den Absolutheitsanspruch von religiösen Glaubenswahrheiten und den Legitimationswahn selbstgefälliger Ideologien.

Der Mensch des 20. Jahrhunderts ist nach der Überzeugung von Camus ein Wesen, das den Heilserwartungen der Religionen und den Versprechungen politischer Parteiprogramme nicht mehr vertrauen kann. Was bleibt, ist die Situation der Absurdität - eine Haltung, die Camus mit den Philosophen der Postmoderne wie Jean-Francois Lyotard verbindet, die das Ende der „großen metaphysischen und politischen Erzählungen“ postuliert haben.

Wittgensteins Ausweg aus dem Fliegenglas

Noch ein unkoventioneller Philosoph war für Kampits von großer Bedeutung: In seinem Buch „Ludwig Wittgenstein. Wege und Umwege zu seinem Denken“ präsentierte Kampits einen leidenschaftlichen Denker, der universitäre Instanzen verachtete. Wittgenstein stellte die radikale Behauptung auf, dass die „großen philosophischen Probleme Geistesstörungen seien“, die zu fixen Ideen führten, die das menschliche Leben verengten.

Kampits legt großen Wert auf die therapeutische Intention Wittgensteins, („Was ist das Ziel deiner Philosophie? - Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zu zeigen“), die mit seinem Grundanliegen übereinstimmt; nämlich philosophische Orientierungen anzubieten, die den Menschen helfen, ihr Leben autonom zu gestalten.

„Dass das Leben problematisch ist, heißt, dass dein Leben nicht in die Form des Lebens passt. Du musst dein Leben verändern und dann verschwindet das Problematische.“ (Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen)

Moderater Befürworter der Biotechniken

Weitere Schwerpunkte der philosophischen Arbeit von Kampits sind Bereiche der Bioethik. Die explosionsartige Entwicklung der Biowissenschaften wie Gehirnforschung und Gentechnologie haben das Selbstverständnis des Menschen radikal verändert. Die Forschungen der Gentechnologie eröffnen erstmals in der Geschichte der Menschheit die Möglichkeit, nicht nur Einblicke in die Baupläne menschlicher Existenz zu erhalten, sondern den Menschen selbst zu konstruieren.

Kampits versteht sich als „moderater Befürworter der Biotechniken“, der im Gespräch jedoch davor warnt, die uneingeschränkte Autopoesis des Menschen und die Herrschaft über die Evolution zu erlangen. Er stimmt mit dem Philosophen Hans Jonas überein, dass höchste Vorsicht angebracht sei: "Es gibt Dinge, die man nicht machen darf“, so Jonas.

Für ein autonomes Lebensende

In den Bereich der Bioethik fallen auch Kampits Reflexionen über ein selbstbestimmtes Lebensende, die er in der Publikation „Menschwürdiges Sterben“ entfaltet hat. Hier nimmt er die Themen der Autonomie und der Freiheit auf, die bereits in seiner Beschäftigung mit dem französischen Existenzialismus wesentlich waren.

Parallel zu einer autonomen Lebensführung plädiert Kampits für ein selbstbestimmtes Lebensende, das der Einzelne wählt, ohne von Ideologien oder Religionen beeinflusst zu werden. „So meine ich, dass weder der Staat noch sonst eine Institution an meinem Sterbebett etwas zu suchen hat. Ich würde eine gesetzliche Regelung befürworten, die die Entscheidungsfähigkeit dem Einzelnen überlässt.“

Kampits‘ Fazit der Überlegungen zur Bioethik: „Die Eule der ethischen Minerva sollte nicht erst in der Dämmerung aufsteigen; sie sollte schon im Morgengrauen beginnen. Eigentlich sollte die Philosophie mitbegleitend in dieses Neuland der Forschung hineingehen. Dort, wo die Größe des Risikos nicht einzuschätzen ist, dort sollte die Philosophie warnen.“

Nikolaus Halmer, Ö1-Wissenschaft

Publikationen von Peter Kampits:

  • Sartre und die Frage nach dem Anderen: Eine sozialontologische Untersuchung, Oldenbourg-Verlag
  • Jean-Paul Sartre, Beck-Verlag
  • Zur Aktualität von Albert Camus. Wien, Picus-Verlag
  • Gabriel Marcels Philosophie der zweiten Person. Wien, München, Oldenbourg-Verlag
  • Ludwig Wittgenstein: Wege und Umwege zu seinem Denken, Styria Verlag
  • Zwischen Schein und Wirklichkeit: eine kleine Geschichte der österreichischen Philosophie. Wien, Österreichischer Bundesverlag
  • Wer sagt, was gut und was böse ist? Wien, Ueberreuter Verlag
  • Biologie und Biotechnologie – Diskurse über eine Optimierung des Menschen (gemeinsam mit Jürgen Habermas, Hubert Christian Ehalt und Ulrich H. J. Körtner), Picus Verlag

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