Gingen die Römer auf Walfang?

Archäologen sind in Andalusien auf Spuren antiker Waljagd gestoßen: Bei Ausgrabungen in einer ehemaligen Römerstadt entdeckten sie Walknochen - von zwei Arten, die heute tausende Kilometer entfernt heimisch sind.

Zwei Grauwale und drei Glattwale wurden den Forschern und Forscherinnen zufolge in der Fischfabrik in Baleo Claudia verarbeitet. Die Ruinen von Baleo Claudia befinden sich in der Nähe der heutigen Stadt Tarifa in Andalusien an der Straße von Gibraltar. Dass die alten Römer dort einst Fischfang betrieben, ist unbestritten: Hunderte Fabriken mit Wasserbecken zeugen von einer Fischverarbeitungsindustrie, die das ganze Römerreich mit ihren Produkten belieferte.

Möglicherweise machten die Römer auch Jagd auf große Meeressäuger. Das legen die gefundenen Walknochen jedenfalls nahe. „Entweder man hat die Wale gejagt oder gestrandete Tiere verarbeitet“, sagt Archäologin Camilla Speller von der Universität York, die die Funde gemeinsam mit einem Team aus Archäologen und Biologen veröffentlicht hat.

Ehemaline Römerstadt: Ruinen aus der Vogelperspektive

D. Bernal-Casasola, University of Cadiz

Der Fundort: Fischbecken in Baelo Claudia

Dass es die Wale überhaupt ins Mittelmeer verschlagen hat, ist überraschend. Denn Grau- und Glattwale bewegen sich normalerweise nicht in dieser Region. Und bisher gingen Forscher davon aus, dass diese Arten dort auch nie heimisch waren.

Wanderung in geschütztes Becken

Heute lebt der bedrohte Glattwal nur noch an der nordamerikanischen Ostküste. Der Grauwal ist im 17. Jahrhundert aus dem Atlantik verschwunden und nur noch im Pazifik zu finden.

„Die beiden Arten waren offenbar einmal Teil des marinen Ökosystems im Mittelmeer. Wahrscheinlich sind sie in das geschützte Becken gekommen, um zu kalben“, sagt Speller.

Ihre Kollegin Ana Rodrigues vom französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung CNRS ergänzt: „Die Römer hatten nicht die Technologie, um auf hoher See Wale zu jagen. Wenn sich aber Walkühe und ihre Kälber nahe an der Küste bewegten, wäre das Fangen möglich gewesen.“ Die Jagd könnte wiederum der Grund dafür gewesen sein, dass sich die Tiere schließlich aus dem Mittelmeer zurückzogen, vermuten die Forscherinnen.

Katharina Gruber, Ö1-Wissenschaft

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