Wenn aus Kindern Glücksspieler werden

Computerspiele stehen oft in der Kritik. Laut einer Studie belgischer Forscherinnen können sie Kinder schleichend zum Glücksspiel verleiten – und den Eltern ist das oft nicht bewusst.

Während die Buben in der Studie im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren eher „Clash of Clans“, „Minecraft“ und „FIFA 2016“ spielten, stand bei den Mädchen unter anderem „Candy Crush“, „Hay Day“ und „Minion Rush“ oben auf der Liste. Geht es nach der Sozialwissenschaftlerin Bieke Zaman von der KU Leuven, haben diese Spiele aber etwas gemein: „Es verstecken sich darin Elemente, die zum Zocken verleiten. Entweder sind diese Teil der Spiele selbst oder in den Werbungen enthalten, die während des Spielens immer wieder geschalten werden.“

Technologiegespräche Alpbach

Von 23. bis 25. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Diversität und Resilienz“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

Bieke Zaman wird am 24. August im Arbeitskreis „Digitales Leben in einer physischen Welt: Digitalität neu denken“ sprechen.

Verhängnisvolle Beutekisten

Für Diskussionen in der Fachwelt sorgen etwa sogenannte Lootboxes, also Beutekisten. Auch in der Studie identifiziert Zaman sie als Problem. Diese „Kisten“ sind zufällig mit virtuellen Gegenständen wie etwa besseren Waffen oder besonderen Figuren gefüllt, die dem Spieler teilweise einen Vorteil verschaffen können - teilweise aber eben auch nicht. Erwerben kann man die Glückskisten für reales oder virtuelles Geld. Auch auf Amazon oder anderen Drittanbietern werden die Gegenstände angeboten. Bei manchen dieser Seiten kann man sich die Gegenstände auch erspielen wie in einem Kasino oder durch Wetten gewinnen.

Wie Zaman in der Studie mit 650 belgischen Schülerinnen und Schülern zeigt, fühlen sich die Kinder zum Teil unter Druck, diese „Lootboxes“ zu erwerben bzw. um die Gegenstände zu spielen, so Zaman. „Sie spüren den Zwang, in etwas Geld zu investieren, wo sie nicht wissen, was sie dafür bekommen und ob es ihnen nützt. Das entspricht schon sehr stark den Mechanismen von Glücksspiel“, so Zaman. Auf diese Weise vermischen sich zwei Welten - die des normalen Spielens und die des Glücksspiels. „Dadurch wird Glücksspiel normalisiert“, kritisiert die Forscherin des Mintlabs, ein Labor, wo die Interaktion von Kindern mit der digitalen Welt untersucht wird.

Die Studie

„Early Gambling Behavior in Online Games: Parental Perspectives vs. What Children Report“, Nordicom, Nordic Information Centre for Media and Communication Research (1.1.2018).

Eltern und Gesetzgeber gefordert

Anderen Studien zufolge wirkt sich dieses frühe Gewöhnen an Glücksspiele tatsächlich auf das Spielverhalten im Erwachsenenleben aus. „Wir sehen, dass Kinder, die mit Glücksspielelementen konfrontiert sind, später eher zocken. Auch, wenn sie vielleicht noch gar nicht selbst spielen, sondern es nur über Werbung und das Spielverhalten anderer sehen.“ In der Studie gab allerdings bereits ein von drei Kindern an, schon einmal mit Freunden um Geld gespielt zu haben.

Eltern empfiehlt die Sozialwissenschaftlerin, ihren Kindern über die Schulter zu schauen und mit ihnen über die Herausforderungen in einem Spiel zu sprechen. Denn in der Studie wussten die rund 340 beteiligten Väter und Mütter größtenteils nichts von Lootboxes und den Werbungen für Glücksspiele, mit denen ihre Kinder konfrontiert werden. „Zudem sollten Eltern die Spiele gemeinsam mit ihren Kindern aussuchen und sich vorher informieren. Auch lohnt es sich teilweise, mehr für das Spiel zu bezahlen, um etwa weniger Werbung zu haben. Zudem sollte sich der Gesetzgeber überlegen, insgesamt weniger Werbung in Spielen für Kinder und Jugendliche zuzulassen.“

Spiele zu verbieten hält Zaman nicht nur für sinnlos, sondern auch ungünstig. „Grundsätzlich haben Spiele große Vorteile. Sie ermöglichen es den Kindern, Strategien zu entwickeln, gemeinsam zu kooperieren, zum Teil muss man schnell agieren und Entscheidungen treffen oder aus Fehlern lernen, wenn man weiterkommen will.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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