„Leben braucht immer Wasser“

Nach der Sensationsmeldung, dass es flüssiges Wasser auf dem Mars gibt, erklärt Günter Kargl von Grazer Institut für Weltraumforschung, was dieser Fund bedeutet: Leben auf dem Mars sei durchaus möglich. Die wirklich schwierige Arbeit beginnt erst.

science.ORF.at: Wie kommt es, dass man die Entdeckung erst jetzt gemacht hat? Die Mars-Explorer-Sonde sammelt ja schon eine Weile Daten.

Günter Kargl: Das liegt einerseits daran, dass man nicht jeden Bereich vom Mars überblicken kann. Man muss planen, wo man hinschaut. Das italienische Forschungsteam hat zum Beispiel ein Höhenprofil von einer anderen Mission verwendet, um überhaupt analysieren zu können, was sie mit dem Radar sehen. Ein Radar kann ja nicht bildhaft abbilden, man erhält damit nur Reflexionen. Speziell bei diesem Radar, das in den Boden hineinschauen kann, braucht man Informationen zum Höhenprofil oder Planetenrelief, um die Daten verstehen zu können. Gleiches gilt für die Auswertung: Da steckt eine immense Rechenarbeit dahinter. Die Forscher um Roberto Orosei mussten erst Modelle entwickeln, um das überhaupt interpretieren zu können.

Ist es überraschend, dass man dort flüssiges Wasser gefunden hat?

Man hat vermutet, dass es etwas geben muss. Diese Messung ist nun die einzige Bestätigung solcher Hypothesen. Man weiß aus Grönland und auch von der Antarktis, dass unter einer großen Gletscherfläche der Druck soweit ansteigen kann, dass sich Wasser auch bei sehr tiefen Temperaturen wieder verflüssigt. Wenn man außerdem bedenkt, dass Salz den Gefrierpunkt senkt und Marswasser sehr salzig ist, konnte man schon ein Wasserreservoir erwarten. Ich spreche nicht von Ozeanen, aber von großen Seen. Ein Planet ist sehr groß: Eine Fläche, die so groß ist wie etwa der Lake Ontario, ist auf einem Planeten nur mit einer gezielten Suche auffindbar.

Welche Fragen kann man mit diesem Wissen jetzt beantworten?

Der Fund ist ein weiteres Puzzlestück in unserem Bild des Mars und der Planeten insgesamt. Die Theorie, die man zu diesen Druckverhältnissen aufgestellt hat, die geologischen Modelle von Planeten - all das lässt sich auch auf die Erde und andere Objekte anwenden. Man kann nun deutlich besser abschätzen, wie der Wasserkreislauf früher beschaffen war. Und das sagt uns etwas über die Evolution des Planeten. Es wurde schon bei mehreren Objekten im Sonnensystem nachgewiesen oder vermutet, etwa an größeren Monden vom Jupiter, dass sie einmal flüssiges Wasser hatten. Was im Übrigen gegen die Annahme spricht, dass man sich in einem bestimmten Abstand zur Sonne befinden muss, um flüssiges Wasser zu besitzen. Unser Begriff von Habitabilität, also von Bewohnbarkeit, hat sich verändert - und diese Messung passt dazu.

Wie sieht es aus mit möglichem Leben?

Das Vorhandensein von Wasser ist für die Exobiologie ein Muss. Leben braucht immer flüssiges Wasser, wir kennen derzeit keinen Mechanismus, der ohne flüssiges Wasser auskommt. Und für eine habitable Zone ist das eine Voraussetzung, um biologische Prozesse antreiben zu können. Womit ich nicht sage, dass es dort Leben gibt. Aber es ist eine Grundbedingung.

Aus dem unterirdischen See Proben zu nehmen wird schwierig, oder?

Ja, das ist es. Dieses Wasser in 1,5 Kilometer Tiefe ist nicht so einfach zugänglich. Auf der Erde wäre das kein Problem, auf dem Mars hingegen schon. Wir haben derzeit nicht die passende Technologie, um so eine Operation zu unterstützen.

Könnte es auch Wasserreservoirs näher an der Oberfläche geben?

Das möchte ich nicht ausschließen, es ist nur mit der Auflösung des Radargerätes nicht sichtbar.

Gibt es einen nächsten Schritt, der jetzt folgen sollte?

Nachdem dieses Wasser gefunden wurde, wird man bei nächsten Missionen versuchen, diese und andere verdächtige Stellen mit verbesserter Auflösung genauer zu untersuchen. Um auch festzustellen, inwieweit das Wasser auch näher der Oberfläche sein könnte. Es könnte durchaus sein, dass kleinere Reservoirs von unten nach oben dringen.

Könnte man auf andere Weise Hinweise auf Leben im Marswasser finden, ohne direkt eine Probe nehmen zu können?

Um Mikroorgansimen – oder wahrscheinlicher: Rückstände organischer Moleküle - zu finden, müsste man das anbohren. Es sei denn, man findet Stellen, wo das Wasser von unten nach oben durch Triebspalten zur Oberfläche dringt. Aber das müsste man natürlich auch wissen.

Interview: Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: