Wie Echsen Wirbelstürme überleben

Wirbelstürme richten nicht nur Zerstörung an, sie treiben möglicherweise auch die Evolution im Tierreich voran: Das schließen Forscher aus einem Zufallsfund - und einem kuriosen Wind-Experiment mit Echsen.

Eigentlich wollten Harvard-Forscher Colin Donihue und seine Kolleginnen etwas ganz anderes untersuchen: nämlich die Verbreitung der Echsenart Anolis scriptus auf den Turks- und Caicos-Inseln in der Karibik. Doch dann bot sich den Forschern eine rare Gelegenheit: „Wenige Tage nachdem wir die Untersuchung abgeschlossen hatten, dezimierten die Hurrikane Irma und Maria die Population“.

Also reiste das Team nach Abzug des Sturms erneut auf die Inseln, um zu sehen, wie sich der Hurrikan auf den Anolis-Bestand ausgewirkt hatte. Die Forscher stellten eine seltsame Kombination von Merkmalen fest: Die überlebenden Echsen wiesen ungewöhnlich lange Vorderbeine und große Zehenballen auf, die Hinterbeine waren hingegen messbar kürzer als normalerweise. Warum?

Starkwind im Labor

Die Antwort auf diese Frage gab ein Experiment. Donihue und sein Team erzeugten im Labor einen künstlichen Sturm und untersuchten, wie sich die Echsen bei Starkwind verhalten: Sie klammern sich mit ihren Vorderbeinen an einem Ast fest (siehe Video) - und sie können sich umso besser festhalten, je länger ihre Vorderbeine und je größer die Zehenballen sind.

Warum die überlebenden Echsen kürzere Hinterbeine besitzen, erklärt Donihue so: “Längere Hinterbeine geben dem Wind eine größere Angriffsfläche – das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Tier von seinem Ast geweht wird“.

Selektion und Evolution?

Die Echsen-Untersuchung sei die erste Studie, die einen direkten Vorher-Nachher-Vergleich nutzt, um die natürliche Selektion aufgrund von Wirbelstürmen zu untersuchen. „Die Studie zeigt, dass Hurrikane körperliche Veränderungen einer Population verursachen können. Und sie legt nahe, dass natürliche Selektion der Grund dafür ist“, so der Forscher.

Um festzustellen zu können, ob die Selektion innerhalb einer Generation auch zu einer evolutionären Veränderung über die Generationen hinweg führt, seien noch weitere Studien notwendig. Vor dem Hintergrund, dass Hurrikane immer stärker und häufiger auftreten, sei es jedenfalls interessant, wie diese Wetterextreme die Evolution verschiedener Arten beeinflussen können, schreiben die Forscher im Journal „Nature“.

Übrigens: Laut Angaben der Biologen wurden alle Echsen nach dem Versuch unversehrt an ihrer Fundstelle freigelassen.

science.ORF.at

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