Relikt aus dem „Jerusalem Litauens“

Ein internationales Archäologenteam hat in Litauen einen der wichtigsten Teile der einstigen Großen Synagoge von Vilnius gefunden.

Bei Ausgrabungen sei die Bima des jüdischen Gotteshauses aus dem 17. Jahrhundert entdeckt worden, teilte die jüdische Gemeinde in Litauen mit. Die Bima ist die erhöhte Plattform in der Synagoge, von der aus der göttlichen Offenbarung Thora vorgelesen wird.

Zerstört und abgetragen

Die Große Synagoge von Vilnius, bisweilen auch als „Jerusalem Litauens“ bezeichnet, galt vor dem Zweiten Weltkrieg und der deutschen Besatzung als größtes und wichtigstes Bauwerk des litauischen Judentums. Im Krieg zerstört, musste ihre Ruine in der Sowjetzeit dem Bau einer Volksschule weichen. Darunter wurde nun die Bima entdeckt. Beteiligt an den Ausgrabungen waren den Angaben zufolge Archäologen aus den USA, Kanada, Israel und Litauen.

„Dies ist nicht nur ein archäologischer Fund. Er wird dazu beitragen, sowohl die Geschichte der litauischen Juden als auch die Ideologie des nationalsozialistischen und sowjetischen Regime zu verstehen, und wie schnell alles zerstört werden kann“, sagte Faina Kukliansky, die Vorsitzende der litauischen jüdischen Gemeinschaft, der Agentur BNS.

Zweifache Besatzung

Litauen wurde im Zweiten Weltkrieg abwechselnd von der Sowjetunion und Nazi-Deutschland besetzt. Während der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944 ermordeten die Nationalsozialisten und einheimische Helfer mehr als 90 Prozent aller damals rund 200.000 in Litauen lebenden Juden. Nach Kriegsende wurde der Baltenstaat bis 1990 unfreiwillig Teil der Sowjetunion.

Die Forschungsarbeiten am einstigen Standort der Großen Synagoge laufen seit 2011. Zuvor wurde bereits Mauerziegeln, Ofenkacheln und andere Überreste eines rituellen Bads gefunden. Die Stadtverwaltung Vilnius will nun bis zum 700. Stadtjubiläum im Jahr 2023 ein Konzept zur Ausstellung der Fundstücke ausarbeiten, kündigte Bürgermeister Remigijus Simsius in einer Mitteilung an.

science.ORF.at/dpa

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