Zwischen Wissenschaft und Fantasie

Haben Außerirdische die Pyramiden im Alten Ägypten gebaut? Thesen wie diese sind seit Erich von Dänikens Büchern in den 60er Jahren beliebt. Die Fantasie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen will eine Wiener Archäo-Astronomin.

Wie wurden die Pyramiden nun gebaut und was genau meinen alte Texte wirklich, wenn darin Himmelsgefährte mit unbekannten Wörtern beschreiben werden? Wenn die akademische Welt eindeutige Antworten schuldig bleibt, springen gerne Hobbyisten ein.

Die Antwort auf die oben genannten Fragen ist für manche längst sonnenklar: Aliens. Antike Außerirdische Astronauten, die die Erde besucht haben, sollen mit ihren fortgeschrittenen Technologien unmöglich scheinende Monumentalbauwerke geschaffen und alte Legenden inspiriert haben.

Unbeholfene Menschheit und außerirdische Herrscher?

In bereits zehn Staffeln bietet der amerikanische Fernsehsender „History Channel“ in der Serie „Ancient Aliens“ (Antike Außerirdische) solchen Thesen über außerirdische Frühzeit-Astronauten ein Forum und hat Kult- und Online-Meme-Status erreicht.

Viele der Ideen aus „Ancient Aliens“ gehen Jahrzehnte zurück und wurden vor allem durch die Bücher des Autors und früheren Hotelkaufmanns Erich von Däniken ab den 1960er Jahren populär. Im Kern drehen sie sich darum, dass frühe Kulturen von außerirdischen Wesen besucht und geprägt worden sein sollen – und diese Geschehnisse dann zu Göttergeschichten verklärt wurden.

Die Hypothesen bauen dabei auf ein Sammelsurium aus Fundstücken verschiedener Epochen aus Ägypten bis Mittelamerika auf, die Fragen aufwerfen und etwas Interpretationsspielraum lassen. Seien das unklare Beschreibungen von Feuerwägen auf Himmelsfahrten – ob im Alten Testament (der Gotteswagen von Ezechiel) oder indischen Veden (Vimanas) –, merkwürdige Abbildungen, die an Raumfahrer oder Nichtmenschliches erinnern, oder Fundstücke , die ihrer Zeit technologisch voraus scheinen.

Der antike Mechanismus von Antikythera ist ein Rechenapparat, der Himmelskonstellationen anzeigt und passt erst Jahrhunderte später in unser Geschichtsbild

Public Domain

Der antike Mechanismus von Antikythera ist ein Rechenapparat, der Himmelskonstellationen anzeigt und erst Jahrhunderte später in unser Geschichtsbild passt

Suche nach Wahrheit oder bester Geschichte?

Wieviel Wissenschaftsfeindlichkeit oder wieviel aufrichtige Neugier steckt aber hinter solchen oft als „Verschwörungstheorien“ weitererzählten Geschichten? Die Altphilologin und Archäoastronomin Doris Vickers, hauptberuflich als Programmleiterin bei den Wiener Volkshochschulen tätig, beschäftigt sich mit dem astronomischen Wissen alter Kulturen, und arbeitet in einer UNESCO-Kommission zur Wahrung alter astronomischer Bauwerke.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 31.7., 13:55 Uhr.

Das erste Mal kam sie im Alter von vierzehn Jahren – ziemlich verzaubert – mit den Geschichten der Präastronautiker in Berührung. Trotz aller wissenschaftlicher Abgeklärtheit heute hat sie daher zumindest ein Gutes über von Däniken und Co zu sagen: „Er hat die Archäologie an die Öffentlichkeit gezwungen. Die Archäologen haben früher schon viel gebuddelt und publiziert - und keiner hat’s gelesen. Es hat eigentlich nie jemand viel erfahren, außer über die großen, wertvollen Funde wie das Grab von Tut-Ench-Amun. Heute findet man oft Berichte über verschiedenste Funde auch in den Medien.“

Das Problem bestehe darin, dass eben nicht wissenschaftlich, sondern publizistisch gearbeitet werde – die Geschichte über Außerirdische steht fest. Alles, was sich da hineinpressen lässt, wird zum Puzzlestück gemacht, kritisiert Vickers: „Die Fragen, die sie aufwerfen, sind teilweise legitim. Problematisch ist nur, dass sie auch gleich eine Antwort haben: Außerirdische.“

Nichtwissen akzeptieren

Zwar wisse bis heute niemand sicher, wie die Pyramiden konstruiert worden sind - aber das sei an sich noch kein Grund, den alten Ägyptern abzusprechen, dass sie vor tausenden Jahren eine Methode dafür haben konnten: „Zum Beispiel gibt es einen Obelisken, der in Istanbul steht, den die Römer dort hingeschleppt haben. Und auf der Basis sind Kräne eingemeißelt. Die Römer haben also verewigt, wie sie diesen Obelisken aufgestellt haben. Und ein Obelisk ist genauso ein großer Stein - und da ist es nicht abwegig zu glauben, dass das schon andere davor konnten.“ Auch wenn man eben die verrotteten Überreste von hölzernen Kranstrukturen nicht finden kann.

Dass es mitunter keine definitive Antwort gibt, sei keine Lücke der Wissenschaft, sondern ein Teil des wissenschaftlichen Prozesses. Nichtwissen zu akzeptieren gehört zur Altertumsforschung und zur Wissenschaft dazu, sagt Vickers. Natürlich gibt es auch Hypothesen zum Bau der Pyramiden, die ohne überirdische Erklärungen auskommen. Aber ob es nun wirklich Rampen, Aufzüge oder Tunnels gab? Beweisen lässt sich derzeit keine der Hypothesen.

Die Pyramiden von Gizeh

AFP

Die Pyramiden von Gizeh

Sekundärliteratur und Kulturferne

Wenn es um die Interpretation von alten Texten geht, kritisiert die Expertin für alte Sprachen ebenso die Methodik: „Mit Texten ist es schwierig, weil [die Präastronautiker] oft die Originalsprachen nicht verstehen und mit Übersetzungen arbeiten. Und manchmal müsste man einfach einen Begriff im Text so stehen lassen, den man nicht versteht. Da hat sich zwar jemand vor tausenden Jahren etwas gedacht, aber ich kann deren Gedanken heute nicht lesen.“ Ob unbekanntes Wort oder die Beschreibung eines Himmelswagen: Was ist Metapher, was Poesie und was faktischer Bericht?

Oft, meint Vickers, würde zudem ohne den richtigen kulturellen Kontext interpretiert:„ Zum Beispiel die Grabplatte von König Pakal von Palenque - die dann [bei den Präastronautikern] angeblich darstellt, wie er gerade mit seinem Raumschiff von der Erde startet. Wenn man es im Kontext sieht, sieht die Archäologie eher Pakal, der vor dem Lebensbaum steht und in die Unterwelt entschwindet.“

Das heißt übrigens nicht, dass Doris Vickers die spannenden Geschichten über extraterrestrische Urzivilisationen nicht mehr gefallen – allerdings besser, wenn sie nicht im Kleid der Wissenschaftlichkeit daherkämen, sondern als Science-Fiction-Geschichte. Die Grenze zwischen Wissenschaft und Fiktion würden manche leider zu oft verwischen, sagt sie.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu dem Thema