OSIRIS trifft „Bennu“

Eine NASA-Raumsonde trifft in den nächsten Tagen am Asteroiden Bennu ein: Sie soll später Material des Himmelskörpers zur Erde transportieren - und das, obwohl auf der Erde ständig Meteoriten einschlagen. Wozu dann dieser Aufwand?

“Die OSIRIS-REx-Mission wird ein Stück eines ursprünglichen Asteroiden entnehmen“, erklärt Joseph Nutt, stellvertretender Projektwissenschaftler für das Unternehmen bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. „Wir wollen ein Stück eines Asteroiden, der nicht kontaminiert ist.“ Denn die Meteoriten, die sich hier auf der Erde finden, sind womöglich Verbindungen mit irdischen organischen Substanzen eingegangen und damit wissenschaftlich uninteressant.

Die Mission

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 13.8., 13:55 Uhr.

Den Wissensdurst der Forscher soll OSIRIS-REx nun stillen. Osiris heißt der ägyptische Gott des Jenseits, der Wiedergeburt und des Nils. Das ergibt für eine Raumfahrtmission nicht sonderlich viel Sinn. Wie so oft bei der NASA ist der Name aber auch eine Abkürzung, und zwar für Origin Spectral Interpretation Resource Identification Security Regolith Explorer. Wörtlich übersetzt klingt es kaum weniger kompliziert - einfacher gesagt geht es um den Ursprung der Materie des Sonnensystems und um die Entnahme von Regolith, Staubproben eines Asteroiden also – und vielleicht noch mehr.

Überbringer des Lebens?

„Diese primitiven Asteroiden verfügen über einen hohen Anteil organischer Moleküle“, weiß Humberto Campins von der University of Central Florida. Er ist ebenfalls Mitglied im OSIRIS-REx-Wissenschaftlerteam. „Wenn wir verstehen wollen, wie das Leben auf der Erde und vielleicht anderswo entstanden ist, müssen wir die Zusammensetzung solcher Asteroiden verstehen.“

Künstlerische Darstellung: Die OSIRIS-REx-Raumsonde erreiht den Asteroiden Bennu

NASA’s Goddard Space Flight Center/Conceptual Image Lab

Die Bestandteile von Bennu sind unbekannt

Eine Großzahl von Astrobiologen vertritt die These, dass Asteroiden die organischen Moleküle auf die frühe Erde gebracht haben, aus denen sich dann die ersten Zellen bilden konnten.

“Wir haben uns für Bennu entschieden - jenen Asteroiden, der die größte Wahrscheinlichkeit für organisches Material besitzt“, sagt OSIRIS-REx-Chefwissenschaftler Dante Lauretta. Womöglich verfüge Bennu auch über tonartiges Material, in dem Wasser gespeichert ist.

Kosmischer Kreisel

Wirklich viel wissen Astronomen über Bennu noch nicht. Sein Durchmesser dürfte bei ungefähr einem halben Kilometer liegen. Und seine Form ähnelt der eines Kreisels. Das war’s. Vorerst.

Mitte August wird nun die entscheidende Phase der Annäherung beginnen. An ihrem Ziel eingetroffen, soll OSRIS-REx dann für ein Vierteljahr in Formation mit dem Asteroiden um die Sonne kreisen. Dabei soll die Sonde auch mehrmals über den Nord- und Südpol des Asteroiden fliegen und ihm so bereits bis auf nur sieben Kilometer nahe kommen.

Als erstes wissenschaftliches Instrument wird dabei in den kommenden Tagen die PolyCam zeigen, was sie kann, und Bennu kartografieren. Außerdem soll sie nach einem Mond des Asteroiden Ausschau halten. Dieses Teleskop von rund 20 Zentimetern Durchmesser kann noch Objekte von der Größe eines Kieselsteins erfassen. Bis die Kamera diese Auflösung erreicht, wird es jedoch noch ein Weilchen dauern.

Auf Kollisionskurs

„Wenn die Sonde nahe genug bei dem Asteroiden ist, gewinnt seine Schwerkraft die Oberhand über die Anziehungskraft der Sonne“, so Patrick Michel vom Observatoire de la Cȏte d’Azur. Der französische Astronom ist Co-Investigator der Mission. „Dann wird OSIRIS-REx in eine Umlaufbahn um Bennu einschwenken.“

Ab diesem Zeitpunkt werden die Instrumente eine Auflösung von wenigen Zehntel Zentimetern pro Pixel erreichen. Das dürfte im Dezember passieren. Dann wird sich die Sonde von der Gravitation des Asteroiden einfangen lassen und in eine Umlaufbahn von nur 1,5 Kilometern Höhe eintreten. „Und dort bleiben wir dann zwei Jahre lang, bevor wir eine Probe entnehmen“, ergänzt Michel.

Auch das Schwerefeld Bennus soll die Sonde messen. Daraus können die Forscher folgen, ob es sich um einen massiven Brocken aus Gestein handelt oder um ein eher poröses, lose zusammengesetztes Objekt mit viel Staub. Diese Erkenntnis könnte für die Menschheit künftig einmal überlebenswichtig werden. Denn erdnahe Asteroiden vom Typ Bennu kreuzen regelmäßig die Bahn der Erde.

Das heißt: Sie könnten irgendwann auch mit ihr kollidieren. „Wir wollen wissen, wie dieser und die anderen Asteroiden, die die Erdbahn kreuzen, aufgebaut sind“, erklärt James Crocker, der Vizepräsident von Lockheed Martin. „Erst dann werden wir verstehen, wie gefährlich sie wirklich sind und ob wir sie im Ernstfall von ihrem Kurs ablenken könnten.“

Der Streifschuss

Das mit dem „Ernstfall“ ist für Bennu gar nicht mal so unrealistisch. Im nächsten Jahrhundert werde er sogar zwischen Erde und Mond hindurch fliegen, prophezeit Patrick Michel vom Pariser Observatorium. „Wir haben Bennus Bahn bis 2135 vorausberechnet.“ In dem Jahr werde er sich der Erde bis auf ungefähr 280.000 Kilometer annähern. Danach sei sein weiterer Kurs unsicher, da er davon abhänge, wie nahe er der Erde wirklich komme und wie stark ihre Anziehungskraft seine Bahn verändere. „Unseren Analysen zufolge könnte er beim nächsten Mal, im Jahr 2167, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:2700 auf der Erde einschlagen.“

Bis dahin dürften die Raumfahrtingenieure dieser Welt aber mit Sicherheit über das Know-How verfügen, einen anfliegenden Asteroiden rechtzeitig aus seiner Bahn zu werfen. Hoffentlich.

Guido Meyer, science.ORF.at

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