Wie „Texting“ Beziehungen beeinflusst

SMS, WhatsApp, Messenger: Hemmt die knappe Kommunikation mittels Handy unser Sozialleben? US-Forscher und -Forscherinnen haben herausgefunden: „Texting“ ist für Paarbeziehungen nicht unbedingt problematisch - für Freundschaften schon eher.

1992 wurde die erste Textnachricht von Handy zu Handy verschickt: ein einfaches „Merry Christmas“. Seit damals hat nicht nur die Verbreitung von Mobiltelefonen stark zugenommen, auch die Zahl der Nachrichtendienste und Messenger-Apps hat sich vervielfacht. Nicht ohne Grund - heute kommunizieren vor allem junge Menschen per Smartphone mit Vorliebe schriftlich und gehen Telefonaten gerne aus dem Weg. Im Jahr 2017 wurden weltweit rund 28 Billionen Nachrichten verschickt.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 10.8., 13.55 Uhr.

Ähnlichkeit macht glücklich

Zwei Studien der Pace University in den USA haben diese Entwicklung zum Anlass genommen, den Umgang mit Textnachrichten psychologisch zu beleuchten. Leora Trub hat gemeinsam mit ihrer Forschungsgruppe, dem Digital Media and Psychology Lab, untersucht, welche Folgen die Nutzung von Textnachrichten auf soziale Beziehungen haben.

Viele Nachrichten zu schreiben und weniger zu telefonieren muss den Ergebnissen zufolge kein Beziehungskiller sein, auch wenn die Kommunikation dadurch eingeschränkt wird. Trub und ihre Kollegen und Kolleginnen haben für ihre Untersuchung mehr als 200 junge Männer und Frauen (Alter: 18 bis 29) nach ihren „Texting“-Gewohnheiten befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass jene Paare am zufriedensten mit ihrer Liebesbeziehung waren, deren Verhalten in puncto Textnachrichten sehr ähnlich war, nicht jene, die sich am meisten Nachrichten schickten.

Nörgeln erlaubt

Ob es sich um Liebesnachrichten, Nörgeleien oder ein einfaches „Hallo“ handle, sei unerheblich, solange beide Partner regelmäßig und in ähnlicher Weise ihre Zuneigung und ihren Ärger zeigten. Das passe auch zu früheren Forschungsergebnissen sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Gerit Götzenbrucker von der Universität Wien.

„Die Gleichheit von Interessenlagen oder Lebensstilen führt natürlich dazu, dass man sich besser über Dinge unterhalten kann“, so Götzenbrucker. Das dürfte auch beim Kommunikationsverhalten in einer Beziehung zutreffen. Denn man weiß bereits: Paare, die ähnlich kommunizieren, auch am Telefon oder im Gespräch, sind meist glücklicher, als jene, die sich dabei unterscheiden.

Flucht vor dem Alltag

Die Medienpsychologinnen und -psychologen haben in einer zweiten Studie auch das „Texting“-Verhalten jenseits von Liebesbeziehungen analysiert. Die Befragung von knapp 1.000 jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren zeigt, dass Nachrichten zu tippen für viele eine Art Flucht vor dem Alltag ist bzw. eine Ablenkung bei Langeweile.

Mädchen tippt SMS in ihrem Zimmer

AP/Charles Rex Arbogast

Tippen statt reden: Die Kommunikation hat sich verändert

Das könne allerdings Folgen für freundschaftliche Beziehungen und das Kommunikationsverhalten an sich haben. „Weil man nicht mit einem realen Gegenüber kommuniziert, sondern eben mit einem Objekt, um sich selbst auszudrücken und darzustellen“, sagt Götzenbrucker. Im Extremfall könne das soziale Isolation begünstigen, heißt es in der US-Studie.

Denn Menschen, die besonders oft Nachrichten schrieben, hätten mitunter das Gefühl, sich auf diese Weise besser ausdrücken zu können, und gingen Telefonaten oder Gesprächen sogar aus dem Weg. Das sei jedoch ein Trugschluss, meint die Kommunikationswissenschaftlerin. Bei Textnachrichten fielen nicht nur nonverbale Ebenen wie Mimik und Gestik weg. Die knappen Nachrichten sorgten auch schneller für Missverständnisse, weil wenig Platz für Erklärungen und komplizierte Argumentationslinien vorhanden sei.

In bequemer Halbdistanz

Insgesamt sei die Entwicklung widersprüchlich, bilanziert Götzenbrucker. Denn einerseits verbrächten gerade Jugendliche und junge Erwachsene viel Zeit mit Lifestreaming, hielten ihre Freunde also ständig via verschiedenste Nachrichten-Apps auf dem Laufenden, auch über banalste Aspekte ihres Daseins. Andererseits zögen sie sich von Kommunikationsformen, bei denen das Gegenüber unmittelbar reagieren könne, zurück.

„Peter Sloterdijk sieht darin Menschen, die ihren Stamm auf bequemer Halbdistanz halten, sich nicht ganz in die Kommunikation involvieren, sondern aus der Ferne in Beziehung miteinander treten“, so Götzenbrucker. Die Kommunikationswissenschaftlerin beobachtet in diesem Zusammenhang eine neuerliche Abkürzung: Heute schrieben viele nicht einmal mehr Texte, sondern schickten Emojis oder Fotos ohne Beschriftung. Diese Art der Kommunikation sei abermals verdichtet - aber auch noch stärker anfällig für Fehlinterpretationen und Missverständnisse.

Marlene Nowotny, Ö1-Wissenschaft

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