Kooperation statt Konfrontation

Ist die Hochkultur der Osterinsel wegen heftiger interner Kriege kollabiert? In den letzten Jahren mehren sich Hinweise, die dagegen sprechen. So auch eine neue Studie, die zeigt, dass es sich um eine sehr partnerschaftliche Gesellschaft gehandelt haben muss.

Die Osterinsel - in der indigenen Sprache Rapa Nui – bietet seit jeher Raum für Spekulationen. Über die Geschichte der einsamen Insel, die mehr als 3.000 Kilometer vom chilenischen Festland entfernt im Pazifik liegt, sind sich Forscher bis heute uneinig. Fest steht, dass die Bevölkerungszahl ab dem 17. Jahrhundert drastisch zurückging und die Einwohner - ebenfalls Rapa Nui genannt - plötzlich aufhörten, ihre Steinfiguren - die Moai - zu bauen und anzubeten. Die möglichen Gründe dafür sind vielfältig: Eine verbreitete Theorie besagt, dass die Zivilisation sich durch ökologische Übernutzung und Stammeskriege quasi selbst ausgelöscht hat.

Steinfiguren auf der Osterinsel

Dale Simpson, University of Queensland

Allerdings wird diese Erzählung von neueren Forschungen angezweifelt. Diese machen eine Kombination aus westlichem Einfluss, verminderter Landnutzung, politischen Umbrüchen, von Seefahrern eingeschleppten Krankheiten und Sklaverei verantwortlich. Um besser zu verstehen, wie die Gesellschaft auf der Osterinsel vor der Ankunft westlicher Kolonialisten ausgesehen haben könnte, hat ein Archäologenteam nun versucht, die Steinbauindustrie der Rapa Nui zu rekonstruieren.

Komplexe und kooperative Gesellschaft

„Die Anzahl und Größe der Steinfiguren legen nahe, dass es eine sehr komplexe Gesellschaft war. Die Rapa Nui hatten Chiefs, Priester und Handwerkerzünfte, die fischten, Landwirtschaft betrieben und die fast 1.000 Steinstatuen bauten. Das erfordert ein bestimmtes Maß an soziopolitischer Organisation“, so Autor Dale Simpson von der University of Queensland in einer Aussendung zu der im „Journal of Pacific Archaeology“ publizierten Studie.

Die Archäologen wollten den Prozess hinter dem Bau der Steinstatuen genauer untersuchen und sehen, wie die Werkzeugmacher und die Steinmetze zusammengearbeitet haben könnten. Dazu haben sie die Werkzeuge, mit denen die Steinstatuen gefertigt wurden, geochemisch analysiert.

Die Zusammensetzung weist auf eine durchaus kollaborative Gesellschaft hin, so die Forscher. Denn das Vulkangestein Basalt, aus denen die Werkzeuge bestehen, stammt zum Großteil aus ein und demselben Steinbruch - obwohl es mehrere Steinbrüche gegeben habe, die teilweise näher an den Fundorten der Werkzeuge und Statuen lagen. Dass trotzdem alle Handwerker dasselbe Material verwendet haben, bedeutet, dass sie sich ausgetauscht haben müssen, so Simpson.

Steinfiguren auf der Osterinsel

Dale Simpson, University of Queensland

„Die Steinindustrie ist ein solider Beweis, dass es Kooperation zwischen Familien und Handwerkergruppen gegeben hat“, so Simpson. Ein Schluss, der sich konträr zu den älteren Theorien liest, die von konkurrierenden Anführern und sich bekriegenden Clans berichten.

Die neuen Untersuchungen würden nun einen weiteren Baustein liefern, um diese Theorie von Wettkampf und Kollaps auf der Osterinsel zu korrigieren: „Die Studie zeigt, wie die Menschen interagiert haben und hilft uns, die Theorie zu revidieren“, so Laure Dussubieux vom „Field Museum“ in Chicago, Co-Autorin der Studie.

Dass die Rapa Nui kooperiert haben, bedeutet freilich nicht, dass sie sich nicht auch bekriegt haben können. Aber die Erkenntnisse könnten den Weg für einen differenzierteren Blick auf die Kultur der Osterinsel ebnen, so die Forscherin.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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