„Starkes Signal für offene Gesellschaft“

Mit einem Bekenntnis zur offenen Gesellschaft ist am Mittwoch das diesjährige Europäische Forum Alpbach (EFA) gestartet. Forum-Präsident Franz Fischler kritisierte in seiner Eröffnungsrede die „Entmenschlichung“ und „Angstmache“ in der Flüchtlingsdebatte.

„Wir im Europäischen Forum Alpbach möchten uns dem widersetzen und ein starkes Signal für die offene Gesellschaft senden“, sagte er.

„Gesellschaft wird immer verletzlicher“

„Ich muss feststellen, dass unsere Gesellschaft immer verletzlicher und weniger resilient (widerstandsfähig) gegen Angriffe von außen wird“, beklagte Fischler. Mit Blick auf das diesmalige Forumsmotto „Diversität und Resilienz“ hob er den Wert der gesellschaftlichen Verschiedenartigkeit in Europa hervor.

„Ich würde behaupten, dass Diversität unser Schatz in Europa ist“, sagte er. „Wir sollten die Diversität erhalten und sogar vergrößern. Das macht uns stark, um uns erfolgreich den Unbekannten der Zukunft zu stellen.“

Diversität wird „missbraucht, um Ängste zu schüren“

Fischler räumte ein, dass Diversität auch „Herausforderungen“ mit sich bringe. Diesen könne man aber durch konkrete Lösungen auf individueller Ebene begegnen. Vielmehr werde Diversität „missbraucht, um Ängste zu schüren“, kritisierte der frühere ÖVP-Minister und Ex-EU-Landwirtschaftskommissar die Debatte über Geflüchtete.

Fischler zeigte sich auch besorgt, dass in der Sicherheitsdiskussion die Frage der Menschenrechte „vom Tisch gewischt“ werde. Zugleich forderte er, das demokratische System weiterzuentwickeln und die Gesetze auf den Prüfstand zu stellen. Vor allem brauche es aber mehr gesellschaftliche Beteiligung aller Menschen. „Wir werden nur Fortschritte machen, wenn wir den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärken“, sagte der ehemalige EU-Kommissar.

Stiglitz sieht offene Gesellschaft „im Krieg“

US-Ökonom Joseph Stiglitz stimmte in die Warnungen Fischlers ein. Die offene Gesellschaft „wird angegriffen, es findet gerade ein Krieg statt“, sagte er in seiner Eröffnungsrede in Anspielung auf US-Präsident Donald Trump.

Ihm und seiner Republikanischen Partei warf er vor, „vom Virus der Falschinformation infiziert“ zu sein. „Die Zukunft unserer Zivilisation steht auf dem Spiel“, sagte Stiglitz. Mit Blick auf das EFA-Motto betonte er: „Eine offene Gesellschaft mit einer Diversität an Ideen ist auch eine widerstandsfähigere Gesellschaft.“

US-Ökonom Joseph Stiglitz warnt vor dem Virus der Falschinformation in Alpbach 2018

APA/EXPA/Johann Groder

US-Ökonom Joseph Stiglitz warnt vor dem Virus der Falschinformation

2008: Zu wenig Diversitäte bei den Banken

Stiglitz nannte mehrere wirtschaftliche Beispiele dafür. So habe sich die Bankenkonzentration in der Finanzkrise des Jahres 2008 als Nachteil erwiesen. „Wenn es mehr Diversität gegeben hätte, wäre unser Finanzsystem robuster gewesen“, sagte er. Als weiteres Beispiel nannte er, „dass Deutschland so abhängig von russischem Gas ist“.

Sollte sich Russland für einen Stopp seiner Gaslieferungen an Deutschland entscheiden, hätte dieses kurzfristig keine Möglichkeit, den Ausfall zu kompensieren. „Resilienz erfordert eine Diversität von Lieferanten“, unterstrich Stiglitz. Resilienz bedeute auch, „dass wir uns auf den Klimawandel vorbereiten, der stattfinden wird“, sagte der Professor an der Columbia University. Daher sei eine Diversifizierung der Energieträger erforderlich.

Stiglitz wandte sich auch gegen die neoliberale Vorstellung, dass sich die Marktwirtschaft selbst regulieren könne. „Der Grund, warum die unsichtbare Hand so unsichtbar scheint, ist, dass sie nicht gerecht ist“, sagte er zur Erheiterung der Zuhörer. So hätten die Abgasmanipulationen von Volkswagen zwar dem Eigeninteresse des Unternehmens gedient, aber nicht dem Wohlbefinden der Gesellschaft, erläuterte er. „Gäbe es keine Gesetze zur Luftreinhaltung, dann könnten wir unsere Luft nicht atmen.“

science.ORF.at/APA

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