Warum Frauen öfter an Migräne leiden

Frauen leiden dreimal so häufig an Migräne wie Männer. Spanische Forscher machen in einer neuen Studie Sexualhormone dafür verantwortlich. Diese könnten einen Gehirnnerv aktivieren, der bei den stechenden Schmerzen eine wichtige Rolle spielt.

Besonders das weibliche Hormon Östrogen könnte die Zellen und Blutgefäße rund um den Gehirnnerv sensibler für Migräneauslöser machen. Dagegen würde das männliche Hormon Testosteron die Migräneauslöser hemmen, berichtete ein Team um Antonio Ferrer Montiel von der Universität Miguel Hernandez in Elche, Spanien, in einer Übersichtsstudie. Darin haben die Forscher die einschlägige Literatur der letzten Jahrzehnte durchforstet und den Status quo der Geschlechterunterschiede bei Migräne ermittelt.

Hormonschwankungen können Migräne auslösen

Der Ausgangspunkt: Bei Frauen im fruchtbaren Alter schwankt der Östrogenspiegel zyklusbedingt - und in dieser Lebensphase sind sie auch besonders anfällig für Migräne. Wie frühere Studien zeigen, ist das Risiko für eine Migräneattacke auch rund um die Menstruation - zwei Tage davor bis drei Tage danach - signifikant höher. In diesem Zeitraum fällt die Konzentration der Eierstockhormone Östrogen und Progesteron ab. Auch hormonelle Verhütungsmittel stehen in Zusammenhang mit einem höheren Migränerisiko, schreiben die Forscher im Review.

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Das bestätigt Christian Wöber, Leiter der Kopfschmerzambulanz am AKH Wien und nicht an der Studie beteiligt. Den Zusammenhang zwischen Hormonen und Migräne beobachtet er täglich bei seinen Patientinnen. „Bei Frauen nach der Menopause, wenn der Hormonspiegel konstant niedriger ist, wird die Migräne oft viel weniger. Und auch während der Schwangerschaft, wenn der Östrogenspiegel konstant hoch ist, berichten Patientinnen oft, dass die Migräne viel besser ist. Was die Migräne begünstigt, sind die Schwankungen des Hormonspiegels, also die normalen Verläufe im weiblichen Zyklus“, so Wöber.

Hormone manipulieren Gehirnnerv

Die spanischen Forscher vermuten, dass die Schwankungen im Östrogenspiegel Zellen in einem bestimmten Gehirnnerv, dem Trigeminus, beeinflussen. „Der Trigeminus spielt bei der Vermittlung von Impulsen, die dann die Migräneattacke auslösen, eine ganz zentrale Rolle“, erklärt Wöber. Über den Gehirnnerv kommt es zu einer durch Nervenimpulse vermittelten Entzündung in der Hirnhaut - und diese löst dann den Migränekopfschmerz aus, erklärt der Neurologe.

Die spanischen Forscher leiten in ihrer Übersichtsarbeit ab, dass Sexualhormone die TRP-Kanäle - Ionenkanäle in der Zellwand von Schmerzrezeptoren - rund um den Trigeminus für diese Impulse sensibilisieren und ihn dadurch anfälliger für Migräneattacken machen.

Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse zur Wirkung von Sexualhormonen auf den Trigeminus nur vorläufig sind und auf Tierexperimenten beruhen, die Rolle von Hormonen bei Migräne sei komplex und bedürfe weiterer Forschung. Insbesondere seien klinische Langzeitstudien zum Zusammenhang zwischen menstruellen Hormonen und Migräne notwendig.

Ähnlich schätzt das auch Wöber ein: „Was hinter diesen TRP-Kanälen steckt, bleibt abzuwarten. Aber jegliche Ansätze und Hypothesen, die uns helfen, besser zu verstehen, was bei Migräne abläuft, sind natürlich weiter verfolgenswert.“

Julia Geistberger, science.ORF.at

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