Selbstbewusstsein statt Trittbrettfahrerei

Österreichs Astronomie wurde durch den Beitritt zur Europäischen Astronomieorganisation ESO vor zehn Jahre „sicher internationaler“ und auch vielfältiger, bilanzieren heimische Astronomen. Für sie ist Selbstbewusstsein statt Trittbrettfahrerei angesagt.

Bei derTagung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in Wien wird das Jubiläum morgen, Dienstag, gefeiert.

Das 1962 gegründete European Southern Observatory (ESO) gilt mit seinen Teleskopen an vier Standorten in Chile als weltweit führende Astronomieorganisation. Über Jahrzehnte bemühten sich die heimischen Astronomen um einen ESO-Beitritt, scheiterten aber an der Finanzierung. Weil man ohne ESO „nur drittklassig sein könne“, so die Astronomen, gab es 2001 einen neuen Anlauf und 2006 wurden schließlich Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Nach mehr als 30-jährigen Bemühungen wurde Österreich mit 1. Juli 2008 Mitglied der ESO.

“Entwicklungen mitprägen“

Der Zugang zu den weltweit leistungsfähigsten Teleskopen war nicht billig: Die Eintrittsgebühr betrug 24,1 Mio. Euro. 25 Prozent davon wurden als sogenannte In-kind-Leistungen in Form von High-tech, Software und Know-how von Österreich geliefert, der Rest über 15 Jahren abgezahlt. Zusätzlich fällt ein jährlicher Mitgliedsbeitrag von derzeit 3,8 Mio. Euro (2,35 Prozent vom ESO-Budget) an. 2012 stimmte Österreich zudem für das rund eine Milliarde Euro teure neue Spitzenteleskop ELT (Extremely Large Telescope) und wird bis 2021 insgesamt rund 6,2 Mio. Euro zu dem Projekt beitragen.

Für Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hat der ESO-Beitritt wesentlich dazu beigetragen, dass sich „Astronomie und Astrophysik in Österreich sehr dynamisch entwickeln“, wie er auf Anfrage der APA betonte. Die Astrophysikerin Sabine Schindler hatte 2008 erklärt, man wolle mit dem ESO-Beitritt die österreichische Astrophysik „auf internationales Spitzenniveau bringen“.

Das sei durchaus gelungen, erklärte Franz Kerschbaum vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Vor dem ESO-Beitritt sei man „auf Trittbrettfahren angewiesen gewesen und habe nur durch Zusammenarbeit mit Kollegen aus ESO-Mitgliedsländern mitnaschen können“.

Beschäftigtenzahl hat sich verdoppelt

„Jetzt können wir unsere eigenen Ideen selbstbewusst einbringen und Entwicklungen mitprägen“, so Kerschbaum. Zudem könne man nun mitreden, welche Schwerpunkte gesetzt, welche Instrumente gebaut, wie die Beobachtungszeiten oder Arbeitsplätze vergeben werden. Die ESO sei mit mehr als 700 Mitarbeitern auch ein großer Arbeitgeber, „das ist auch eine Chance für unsere jungen Leute, etwa einen Postdoc-Posten zu bekommen“.

„Der Beitritt war ein wichtiger Beitrag zur Internationalisierung der österreichischen Astronomie“, ergänzte Bodo Ziegler vom Institut für Astrophysik der Uni Wien. „Ohne den Beitritt wäre ich nicht hier, ebenso meine Kollegen“, sagte der aus Deutschland stammende Forscher.

In Wien seien durch Umstrukturierungen auch zwei neue Professuren geschaffen worden, um den ESO-Beitritt ausnutzen zu können. Die Astronomie sei dadurch auch vielfältiger geworden, so Ziegler. Kerschbaum schätzt, dass sich österreichweit die Kopfzahl der im Bereich Astronomie beschäftigten Personen - vom Doktoranden bis zum Professor - in den vergangenen zehn Jahren in etwa verdoppelt hat.

Systematisches Arbeiten möglich

Vor dem Beitritt habe es durchaus Skepsis gegeben, ob die heimische Astronomie das alles nutzen wird können. „Ich kann heute sagen, ja das ist so. Wir haben unseren Anteil an Beobachtungszeit enorm ausgebaut, haben insbesondere bei den kompetitiven neuen Systemen wie dem Radioteleskop ALMA ganz wichtige und international sichtbare Ergebnisse erzielen können und als Projektleiter oder als Co-Projektleiter mitgearbeitet. Wir sind da wirklich angekommen“, sagte Kerschbaum.

Als konkretes Beispiel nannte der Astronom die Mitarbeit in einem „Large Program“ für die Interferometrie mit dem „Very Large Telescope“ (VLT) der ESO. „Da hat man nicht nur ein bisserl Beobachtungszeit, sondern kann systematisch einer großen Frage nachgehen.“ Dabei seien pulsierende Rote Riesen so detailliert angeschaut worden wie nie zuvor und man habe sogar erstmals Bilder von der Oberfläche dieser sterbenden Sterne bekommen - „so hat man das noch nie zuvor gesehen“.

science.ORF.at/APA

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