Resistenzen reisen auf dem Luftweg

Genetische Veränderungen machen Bakterien resistent gegen Antibiotika. Das veränderte Erbmaterial findet sich auch in der Luft, wie Analysen aus 19 Städten zeigen. Die Gene wandern auf dem Luftweg von einem Bakterium zum anderen - und verstärken das Problem.

San Francisco, Johannesburg, Zürich, Peking und Melbourne - in insgesamt 19 Städten weltweit hat ein internationales Forschungsteam Gene gefunden, die Bakterien gegen herkömmliche Antibiotika immun machen. Gesammelt wurden das Erbgut in Luftfiltern von Autoklimaanlagen. Hier haften sie etwa an Feinstaubpartikeln, die in den Filtern hängen bleiben.

Die Studie

„Global Survey of Antibiotic Resistance Genes in Air“, Environmental Science&Technology, 25.7.2018

Resistent wird ein Bakterium auf unterschiedliche Weise. Einerseits passen sich die Bakterien im Laufe der Zeit durch einen natürlichen Prozess an Antibiotika an, um sich selbst zu schützen. Andererseits werden die Gene, die ein Bakterium resistent machen, auch von Bakterium zu Bakterium weitergegeben, wie der Mikrobiologe Daniel Gattinger von der Universität Innsbruck erklärt - er war an der internationalen Studie zwar nicht beteiligt, forscht aber ebenfalls zu antibiotikaresistenten Mikroorganismen.

„Verbreitet wird eine Resistenz also entweder, indem ein Bakterium sich teilt und dieses Gen an die nächsten Generationen weitergibt. Oder dieses Gen wird über den sogenannten horizontalen Gentransfer auf andere Arten oder andere Bakterien übertragen.“ Dabei werden die Gene über die Luft, den Boden oder das Wasser auf andere Mikroorganismen übertragen.

Resistent gegen Reserveantibiotikum

Gefährlich sind diese Gene in der Luft in der Regel nicht. „Die Keime, die so in der Luft herumschwirren, sind meistens keine Krankheitserreger. Aber die Gene von diesen jetzt harmlosen Bakterien können irgendwann auf gefährliche Bakterien übertragen werden. Dann stellen sie wirklich eine Bedrohung für den Menschen da.“ Im schlimmsten Fall können dann heute heilbare Krankheiten wie eine Lungenentzündung nicht mehr behandelt werden.

90 Jahre Antibiotika

Vor 90 Jahren hat Alexander Flemming zufällig die antibakterielle Wirkung von Penicillium, einem Pilz, entdeckt. Das erste Antibiotikum war gefunden. Zahlreiche bis dahin lebensgefährliche Infektionen wurden heilbar. Aber die Wirkung des Allzweckmittels schrumpft. Denn die Zahl der resistenten Bakterien wächst rasant.

Denn Bakterien werden unter anderem gegen jene Antibiotika resistent, die häufig zur Bekämpfung von bakteriellen Infekten eingesetzt werden. Dazu gehören etwa β-Lactam-Antibiotika. Für besonders bedenklich hält der Mikrobiologe aber, dass in sechs Städten - darunter Paris und Melbourne - kleine Mengen von Genen gefunden wurden, die ein Bakterium gegen Vancomycin resistent machen - also gegen ein sogenanntes Reserveantibiotikum. „Das ist ein Antibiotikum, das dann verabreicht wird, wenn andere Antibiotika nicht mehr funktionieren.“

Vancomycin wird vor allem in Krankenhäusern eingesetzt, in denen resistente Keime öfter auftauchen. Auch Gattinger selbst hat in seiner Forschung gegen Vancomycin resistente Keime in der Umwelt entdeckt - und zwar sowohl im Eis einer Höhle am Hintertuxer Gletscher, die ein beliebtes Ziel für Touristen ist, als auch fernab im Eis der Antarktis sowie der Arktis, wo kaum Menschen hinkommen. „Wir haben insgesamt bis zu knapp 70 Prozent Vancomycin-resistente Bakterien gefunden.“

Zu viel Antibiotika im Einsatz

Wie sie dort hinkommen, darüber kann nur spekuliert werden. „Man weiß, dass Mikroorganismen auch an Luftpartikeln haften. Wenn man sieht, wie weit entfernt Rückstände von Saharasand gefunden werden, wäre es nicht verwunderlich, wenn die Bakterien so auch bis zu den Polen kommen.“ Zudem zeigten Studien, dass auch in den Wolken Mikroorganismen sind.

Hauptverantwortlich für die Verbreitung der Antibiotikaresistenzen ist Experten zufolge allerdings die unnötige, zu kurze oder zu lange Behandlung mit Antibiotika. Zudem ist auch die Viehzucht und Landwirtschaft problematisch, wo Antibiotika übermäßig eingesetzt werden – auch präventiv. Da Alternativen noch fehlen, bleibt nur der Appell an Mediziner, Landwirte und Viehzüchter, verantwortungsvoller mit Antibiotika umzugehen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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