Medikament bremst Gehirnschwund

Mit zunehmendem Alter bauen wir Gehirnsubstanz ab. Bei Patienten mit Multipler Sklerose kann das vorzeitig geschehen. US-Forscher haben nun ein Medikament getestet, das diesen Prozess deutlich verlangsamt.

Multiple Sklerose (MS) ist eine neurologische Erkrankung, an der rund 12.000 Menschen in Österreich leiden, weltweit sind es über zwei Millionen. Die chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems beginnt meist mit einem schubförmigen Verlauf, bei einem Großteil der Patienten entwickelt sich jedoch mit der Zeit eine progrediente, also fortschreitende MS. Dabei verschlimmern sich die Symptome stetig und schränken die Betroffenen zunehmend ein.

Bei Multipler Sklerose kann es je nach Krankheitsverlauf auch zu einem übermäßigen Abbau von Gehirnsubstanz kommen, genannt Hirnatrophie. Ein Team um den Neurologen Robert Fox von der Cleveland Clinic in Ohio hat nun ein Medikament getestet, das diesen Prozess verzögern könnte. Für die Studie wurden 255 Patienten zwischen 21 und 65 Jahren mit fortschreitender MS in zwei Gruppen geteilt. Die eine erhielt den Wirkstoff Ibudilast, die andere ein Placebo. Bei der ersten Gruppe wurde in einem Jahr um 48 Prozent weniger Hirnsubstanz abgebaut als bei der Vergleichsgruppe.

Klinischer Effekt noch ungeklärt

Wie sich das auf den Krankheitsverlauf auswirkt, ist laut Forschern jedoch noch unklar. Sie hoffen aber, dass ein verzögerter Abbau der Gehirnsubstanz auch dazu führt, dass die körperlichen Einschränkungen von MS-Patienten langsamer voranschreiten.

„Für die schubförmige MS gibt es bereits viele Behandlungen, aber keine davon kann das Fortschreiten der Beeinträchtigungen bei progredienter MS konsequent verzögern“, so die Autoren in einer Aussendung zu der im „New England Journal of Medicine“ publizierten Studie. Studienleiter Robert Fox ist optimistisch, dass sich das bald ändern könnte: „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse dabei helfen, neuen Therapien für die fortschreitende MS zu entwickeln, denn der Bedarf ist hoch.“

Multifunktionales Medikament?

In Japan ist Ibudilast bereits seit 1989 zugelassen, dort wird es bei Asthma und Schlaganfall eingesetzt. Warum es auch bei MS wirkt? „Es kann die Blut-Hirn-Schranke überwinden, das hat potenziell Effekte auf das zentrale Nervensystem“, schreiben die Forscher in der Studie.

Das Medikament sei relativ gut verträglich, so Robert Fox. Bei den Studienteilnehmern seien nur leichte Nebenwirkungen aufgetreten, darunter Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen und Depressionen. Die Infektionsrate ist gegenüber der Placebogruppe nicht gestiegen. „Ich glaube, im Vergleich mit aktuellen MS-Therapien ist das eine gute Bilanz“, so Fox gegenüber science.ORF.at.

Bevor das Medikament für Patienten mit fortschreitender MS zugelassen werden könnte, muss es noch eine weitere Studienphase durchlaufen. Das dauere üblicherweise mehrere Jahre, so Fox. Zudem seien noch Studien notwendig, um zu sehen, ob eine reduzierte Hirnatrophie auch das Fortschreiten der körperlichen Symptome verzögern kann.

Julia Geistberger, science.ORF.at

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