„Tractatus“-Preis für „Vereindeutigung der Welt“

Der deutsche Arabist und Islamwissenschaftler Thomas Bauer wird in diesem Jahr mit dem Essay-Preis „Tractatus“ des Philosophicum Lech ausgezeichnet. Sein Werk „Die Vereindeutigung der Welt“ sorge weit über Wissenschaftskreise hinaus für Furore.

„Die Vereindeutigung der Welt“ ist im Februar 2018 erschienen, mittlerweile liegt das Buch in achter Auflage und auch als Hardcover vor. Thomas Bauers Werk entspreche damit ganz der Intention des mit 25.000 Euro dotierten „Tractatus“-Preis, ein wertvoller Beitrag zur Standortbestimmung in philosophisch und gesellschaftlich relevanten Diskursen zu sein, so die Philosophicum-Verantwortlichen.

„Philosophie [...] hält den Raum des Fragens offen, sie erschüttert verfestigte Denkmuster und Vorurteile. In ihren besten Momenten verhilft sie uns dazu, die Welt in einem neuen Licht zu sehen. Eben das gelingt Thomas Bauer in seinem Essay“, erklärt Thomas Vasek in der Jury-Begründung. Als neues Jury-Mitglied ersetzte Vasek Franz Schuh, der in einem Artikel für „Die Zeit“ Bauers Essay ebenfalls herausgestrichen hatte: „Die Konstellation Befreiung durch Vielfalt und Verengung durch Vereindeutigung handelt dieses Taschenbuch glänzend ab“.

Überraschende These

Besonders hervorgehoben wurde von der Jury - der neben Vasek auch Barbara Bleisch und Michael Krüger angehören - die Originalität des Denkansatzes von Bauer. „Seine These ist überraschend. Wir leben nur scheinbar in einem Zeitalter unüberbrückbarer Vielfalt. Tatsächlich verlieren wir immer mehr die Bereitschaft, Pluralität und Mehrdeutigkeit zu ertragen. Unsere ‚Ambiguitätstoleranz‘ schwindet“, hielt Vasek fest.

Der 56-jährige Bauer, der seit dem Jahr 2000 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lehrt, ist der zehnte „Tractatus“-Preisträger in der Geschichte des Philosophicums. Er setzte sich mit seinem Werk gegen die anderen nominierten Autoren Isolde Charim , Wolfram Eilenberger, Guillaume Paoli, Christoph Türcke und Wolfgang Ullrich durch. Bisherige „Tractatus“-Preisträger sind Ex-Juror Franz Schuh (2009), Kurt Flasch (2010), Norbert Bolz (2011), Herbert Schnädelbach (2012), Kurt Bayertz (2013), Peter Bieri (2014), Ulrich Greiner (2015), Hartmut Rosa (2016) und Ralf Konersmann (2017). Überreicht wird der Preis am 21. September im Rahmen des Philosophicum Lech, das sich heuer in seiner 22. Auflage von 19. bis 23. September mit dem Thema „Die Hölle. Kulturen des Unerträglichen“ auseinandersetzt. Das Interesse am Philosophicum Lech ist wie in jedem Jahr sehr groß, die Veranstaltung ist mit über 600 Teilnehmern bereits ausgebucht.

Der privat finanzierte „Tractatus“-Preis - er gehört zu den höchstdotierten im deutschsprachigen Raum - wurde vom Verein Philosophicum Lech ins Leben gerufen. Es sollen herausragende Publikationen auf dem Feld geistiger Auseinandersetzung und Standortbestimmung ausgezeichnet werden.

science.ORF.at/APA

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