Wie der Flossentanz zum Trend wurde

Damit sie wie Flipper auf der Schwanzflosse tanzen können, müssen Delfine trainiert werden, dachte man bisher. Ein wildlebendes Tier schaute sich den Flossentanz bei einem kurzen Aufenthalt im Delfinarium ab und löste damit unter Artgenossen einen Trend aus.

Delfine leben in größeren Sozialverbänden. In diesen entwickeln und pflegen sie „kulturelle“ Traditionen, die sie auch an nachfolgende Generationen weitergeben. Dazu zählen etwa Jagdtechniken, die mitunter sehr speziell sind. So verwenden etwa Tümmler in der westaustralischen Meeresbucht Shark Bay Schwämme als Schutz, wenn sie im Meeresboden nach Beute wühlen, wie Forscher 2014 berichteten.

Diese Verhaltensweisen haben in der Regel einen Zweck, im genannten Beispiel ist es der Schutz vor Verletzungen bei der Jagd. Dass auch - zumindest augenscheinlich - „sinnlose“ Kulturtechniken weitergegeben werden, kennt man hingegen - abgesehen vom Menschen - nur von Affen. Zum Beispiel spielen japanische Makaken mit Steinen wie mit Bauklötzen und Kapuzineraffen bohren einander einen Finger unter das Augenlid. Diese kulturellen Eigenarten können - so wie sie auftauchen - auch wieder aus dem Repertoire verschwinden.

Lernen durch Zusehen

Von einem solchen ungewöhnlichen Trend bei Delfinen berichten die Forscher um Mike Bossley in ihrer aktuellen Studie. Begonnen hat alles mit „Billie“. Als Jungtier lebte das Tümmler-Weibchen kurzzeitig in einem Delfinarium, nachdem sie in die Schleuse eines Jachthafens geraten war. Nach drei Wochen wurde sie Anfang 1988 wieder ins offene Meer gebracht, zur Port-River-Mündung bei der australischen Küstenstadt Adelaide.

Erst Jahre später, nämlich 1995, begann sie plötzlich auf der Schwanzflosse zu laufen, ein Verhalten, das Tieren in Delfinarien in monatelangem Training beigebracht wird. Denn von Natur aus können Delfinen zwar schwimmen und tauchen. Sie können sich auch in die Luft katapultieren, den Flossentanz beherrschen sie aber nicht. „Billie“ hat den trainierten Artgenossen vermutlich aber gut zugesehen.

Soziales Lernen

In den Jahren danach häuften sich die Beobachtungen von tanzenden Delfinen. Nicht nur „Billie“ selbst wurde gesichtet, sondern sechs andere erwachsene Weibchen und fünf Jungtiere. Ein Tier namens „Wave“ war anscheinend besonders angetan von dem Tanztrend. Mehr als zwei Drittel aller Sichtungen gingen auf ihr Konto. Den Höhepunkt erreichte die tierische Mode zwischen 2008 und 2010, wie die Forscher schreiben. Nach 2011 war das Schauspiel immer seltener zu beobachten. „Billie“ starb 2009 und „Wave“ wurde 2014 das letzte Mal gesehen.

Für die Forscher handelt es sich um ein weiteres Beispiel von sozialem Lernen, bei dem eine Verhaltensweise von Tier zu Tier weitergegeben wird und so für eine Weile charakteristisch für diese Gruppe wird. Dass die anstrengende Bewegung auch einen versteckten Nutzen für die Delfine hat, lässt sich laut den Forschern nicht ausschließen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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