Debatte über Rückgabe kolonialer Kunstschätze

Voriges Jahr hat der französische Präsident Emmanuel Macron angekündigt, Kunstschätze aus den früheren Kolonien in Afrika zurückzugeben. Das würde die Museen von Grund auf verändern, hieß es heute bei der Tagung zum Thema in Wien.

Die heimischen Museen hätten aber weder die nötigen finanziellen noch personellen Ressourcen, meinte Claudia Augustat vom Weltmuseum Wien.

Das Thema Restitution von in der Kolonialzeit erworbenen oder geraubten Sammlungen beschäftigt ethnologische Museen bereits seit längerem. Im November 2017 versprach der französische Präsident überraschend, alle kolonialen Kulturgüter aus Afrika innerhalb der nächsten fünf Jahre zu restituieren oder als Dauerleihgaben an die Herkunftsländer zurückzugeben. Die Diskussion erlangte damit eine völlig neue Dimension. Der Umgang mit der Kolonialgeschichte ist Thema der Abschlusskonferenz des EU-Projektes SWICH („Sharing a World of Inclusion, Creativity and Heritage“), die heute, Donnerstag, im Forum des Weltmuseums Wien beginnt.

“Unglaubliche Forschungsarbeit“

Sollte die französische Praxis europaweit beispielgebend sein - auch in Deutschland fordern Experten bereits eine Vorreiterrolle in Fragen der Restitution ein -, „wären wir nicht nur mehr Bewahrer, sondern müssten aktiv Beziehungen mit den betroffenen Ländern herstellen, um gemeinsam herauszufinden, was für alle Beteiligten eine optimale Lösung sein könnte“, sagte Augustat. Im Gespräch zu bleiben sei schon allein deshalb wichtig, „um die Dinge in Bewegung zu halten“ und beispielsweise gemeinsame Ausstellungen zu entwickeln.

„Bei jeder Sammlung müsste u.a. geprüft werden, welche Gründe - rechtlich oder ethisch-moralisch - es für eine Rückgabe gibt“, verweist die Expertin auf eine „unglaubliche Forschungsarbeit“. Diese könnte mit den derzeitigen Ressourcen nicht bewältigt werden.

“Geschichte der Restitution erzählen“

„Von der Politik müsste ein Programm ähnlich dem für die Restitution jüdischer Raubkunst geschaffen werden“, regte Augustat an. Dass sämtliche 220.000 Objekte des Weltmuseums zurückgefordert würden, befürchtet sie aber nicht. Viele Völkergruppen sähen in der Ausstellung ihrer Kunstgegenstände eine Möglichkeit, auf dem Weltparkett überhaupt sichtbar zu sein und auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Generell bestehe eine große Übereinkunft der ethnografischen Museen, menschliche Überreste zu repatriieren, naturhistorische Museen hätten noch eine andere Haltung. Auch bei sakralen Gegenständen ändere sich die Einstellung. „Hat man erst einmal die Sichtweise verstanden, dass diese Objekte nicht tot sind und besucht werden müssen, wird es einfacher, Wünsche nach Rückgabe zu berücksichtigen“, sagt Augustat, für die restituierte Gegenstände nicht verloren sind: „Wenn wir die Geschichte der Restitution erzählen, können Besucher mehr lernen, als wenn sie nur den Gegenstand in der Ausstellung sehen.“

science.ORF.at/APA

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