Wieviel Genetik im Blutdruck steckt

Über 1.000 Gene beeinflussen den Blutdruck. Und das sind noch nicht alle, so eine Studie an einer Million Menschen. Die neuen Erkenntnisse könnten zu einer individuellen Behandlung führen: Blutdrucktherapie, maßgeschneidert für Patienten.

Zu wenig Bewegung, Fettleibigkeit, schlechte Ernährung, Rauchen und Alkohol sind Faktoren, die das Risiko für Bluthochdruck erhöhen. Daneben spielen aber auch die Gene eine Rolle. Genauer vermutet man, dass Bluthochdruck zu 20 bis 30 Prozent genetisch ist. In einer umfangreichen Studie, die Daten von Menschen rund um den Globus analysierte, hat man nun 535 neue Gene gefunden, die den Blutdruck beeinflussen, erklärt eine der Studienautorinnen Helen Warren von der Queen Mary Universität in London. „Zusammen mit früheren Erkenntnissen kennen wir nun über 1.000 Gene. Dadurch versteht man immer besser, welche Faktoren eine Rolle spielen.“

Die Studie

Genetic analysis of over one million people identifies 535 novel loci for blood pressure, Nature Genetics (17.9.2018).

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 18.9.

Gene: Mehr als dreimal so hohes Risiko

Mithilfe der neuen Gensignale können die Forscher nun genauer das Risiko für Bluthochdruck berechnen. Kombiniert man etwa alle 1.000 Gene, zeigt sich, dass Menschen mit bestimmten Genvariationen ein mehr als dreimal so hohes Risiko für Bluthochdruck haben, so die Medizinerin Helen Warren. Darüber hinaus entwickeln jene, die das höchste genetische Risiko haben, auch zu 50 Prozent eher Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie etwa Herzgefäßerkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall, rechnet Warren.

Dabei sind nicht alle Gene, die Warren und ihre Kollegen entdeckt haben „neu“. Sieben der insgesamt 535 Gene kennt man bereits aus anderen Untersuchungen. Sie werden bereits mit anderen Körpermechanismen assoziiert. So beeinflusst etwa das Gen APOE auch Lipide und spielt bei Herzgefäßerkrankungen eine Rolle. Darüber hinaus ist das Gen auch bei Alzheimer entscheidend. „Das ist per se nicht ungewöhnlich. Unser Körper besteht aus unterschiedlichen, komplexen Netzwerken. Wir erwarten dabei also nicht, dass jedes Gen nur einen einzigen Bereich beeinflusst.“ Vielmehr sieht Warren darin einen Hinweis darauf, dass es zwischen Blutdruck und Fettstoffwechsel bzw. zwischen Blutdruck und neurodegenerativen Mechanismen eine biologische Verbindung gibt. „Wir bekommen also dadurch ein ganzheitlicheres Bild über bestimmte Vorgänge im Körper.“

Ziel: individuelle Therapie

Dadurch eröffnen sich auch Möglichkeiten für neue Medikamente, mit denen man Bluthochdruck gezielter und individueller behandeln könnte. Allerdings ist man davon noch weit entfernt, denn auch wenn man - dank solcher Studien - immer mehr Gene kennt, die den Blutdruck beeinflussen, versteht man ihre genaue Funktion zum Teil noch nicht, erklärt Warren. „Wir wissen nur sehr wenig, über die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen all dieser unterschiedlichen Genregionen.“

Um diese Mechanismen und damit die Rolle der genetischen Veränderungen besser verstehen zu können, braucht es noch mehr Forschung im Labor, das erklärt auch Bruno Watschinger von der Medizinischen Universität Wien. „Man weiß auch jetzt schon, dass bei Menschen, deren Eltern an Bluthochdruck erkrankt sind, ein höheres Risiko besteht. Man kennt dank dieser Studie aber nun den genetischen Code von Bluthochdruck genauer. Für die klinische Beurteilung ist das allerdings noch nicht relevant.“

Der Mediziner weist darauf hin, dass es wichtig sei, dass Menschen ihren Blutdruck immer wieder überprüfen und bei einem Wert von über 135 zu 85 zum Arzt gehen. Je früher man den Blutdruck in einem gesunden Bereich halte, desto eher lassen sich oftmals tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermeiden. „Viele Menschen unterschätzen das Risiko von Bluthochdruck“, so Watschinger.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu diesem Thema: