Diese Kreatur war ein Tier

Über einen Meter groß, ein Körper wie eine flache Luftmatratze - es waren höchst seltsame Lebewesen, die vor 558 Millionen Jahren die Erde bevölkerten. Die Entdeckung fossiler Moleküle bestätigt nun: Diese Kreaturen waren Tiere.

Dickinsonia hatte einen ovalen Körper, der von oben bis unten in rippenähnliche Segmente unterteilt war. Bis zu 1,40 Meter konnte dieser Ur-Organsimus groß werden. All das wissen Forscher von Fossilien, die in vielen Regionen weltweit gefunden wurden. Doch eine Frage konnten sie bisher nicht eindeutig beantworten: Was sind das für Wesen?

Fundort des Dickinsonia-Fossil

Ilya Bobrovskiy/ Australian National University

Fundort des Fossils am Weißen Meer in Russland

Ein seltener Glücksfall half den Forschern aus Australien, Russland und Deutschland bei der Klärung der Frage: Der Biogeochemiker Ilya Bobrovskiy von der Australian National University in Canberra konnte am Weißen Meer in Russland Fossilien von Dickinsonia sammeln, die noch Reste von organischem Material enthielten.

„Das ist das erste Mal, dass so etwas in einem so alten Fossil gefunden wurde“, sagt Mitautor Benjamin Nettersheim vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und der Universität Bremen. Den dünnen Biofilm auf den Fossilien analysierten Bobrovskiy und seine Kollegen im Labor. Darin entdeckten sie uralte Moleküle - und zwar Cholesterin, das typisch für höhere Tierarten und Menschen ist. Damit war klar: Das sind keine Pilze, keine Pflanzen, Flechten oder Algen.

Erstaunlich langlebig

„Diese haben eine andere Lipidsignatur“, so Mitautor Christian Hallmann. Dass es sich bei den Urwesen um gigantische Einzeller handelt, wie einige Forscher vermuteten, konnten er und Nettersheim mit einer weiteren Untersuchung an der Universität Bremen ebenfalls ausschließen. Sie extrahierten Lipide von mehreren Exemplaren, die noch heute in der Tiefsee der Antarktis oder im Mittelmeer leben. Im Labor simulierten sie die geologischen Veränderungen, denen die Moleküle über Jahrmillionen ausgesetzt gewesen wären. Auch hier ergab sich eine andere Zusammensetzung der Lipide.

Das Dickinsonia-Fossil

Ilya Bobrovskiy/ Australian National University

Das Dickinsonia-Fossil

Doch wie blieb das Cholesterin in den Dickinsonia-Fossilien überhaupt so lange erhalten? Generell könnten Lipide recht lange überdauern, sagte der Ornithologe Gerald Mayr vom Senckenberg Forschungszentrum für Naturkunde in Frankfurt/Main. Er hatte im vergangenen Jahr mit einem Vogelfossil für eine kleine wissenschaftliche Sensation gesorgt: In ihm konnte 48 Millionen Jahre altes Fett nachgewiesen werden. Die Studie zu den 558 Millionen Jahre altem Cholesterin lag Mayr nicht vor. Er bezeichnete die Entdeckung wegen des hohen Alters als sehr erstaunlich.

Das bestätigt auch der Bremer Experte Hallmann. „Die Fundstelle ist ziemlich einzigartig.“ Normalerweise fressen Mikroorganismen einen Großteil des organischen Materials eines toten Tieres auf. Die Überreste werden mit der Zeit von immer mehr Sedimentschichten überlagert, so dass diese steigenden Temperaturen und hohem Druck ausgesetzt sind. „Das zerstört oft die Moleküle“, erläutert Hallmann. Wieso das bei den Fossilien vom Weißen Meer nicht geschehen ist, können die Experten nicht sagen.

science.ORF.at/APA/dpa

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