Identität von Courbets Nacktmodell enthüllt

Ein französischer Literaturwissenschaftler hat eines der größten Geheimnisse der Kunstgeschichte gelüftet: Die Identität der Dame, deren Scham der Maler Gustave Courbet in seinem Meisterwerk „Der Ursprung der Welt" (L’Origine du monde“) zur Schau stellt.

Als Modell diente die 34 Jahre alte Tänzerin Constance Quéniaux, wie Claude Schopp nun in einem Buch enthüllt hat. Quéniaux war nach Angaben Schopps eine der Mätressen des türkisch-ägyptischen Diplomaten Khalil-Bey. In dessen Auftrag malte Courbet 1866 sein weltberühmtes Bild.

Der Schriftsteller Schopp kam der früheren Tänzerin der Pariser Oper durch puren Zufall auf die Schliche, als er einen bisher nicht beachteten Brief des Schriftstellers Alexandre Dumas des Jüngeren auswertete. Darin mokiert sich Dumas über Courbet und sein Modell Quéniaux, die ihm ihr „Inneres“ präsentiert habe.

„Nun haben wir zu 99 Prozent Sicherheit, dass Constance Quéniaux Courbets Modell war“, sagte die Grafik-Expertin der französischen Nationalbibliothek, Sylvie Aubenas, der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor zirkulierten in der Kunstwelt die Namen diverser anderer Frauen als mögliches Modell für den „Ursprung der Welt“, die aber aus verschiedenen Gründen nicht überzeugten.

Gut gehütetes Geheimnis

Zuvor zirkulierten in der Kunstwelt die Namen diverser anderer Frauen als mögliches Modell für den „Ursprung der Welt“, die aber aus verschiedenen Gründen nicht überzeugten - etwa der von Jeanne de Tourbey, einer weiteren Mätresse des türkischen Diplomaten Khalil-Bey. Allerdings hatte sie einen zu hohen gesellschaftlichen Rang, um Modell gestanden zu haben.

Zuletzt hatte der französische Kunsthistoriker Jean-Jacques Fernier 2013 ein unsigniertes Frauenporträt präsentiert, das nach seiner Ansicht das Pendant zu dem von Courbet verewigten berühmten Unterleib war. Es stellt die Irin Joanna Hiffernan dar, die im Sommer 1866 Courbets Geliebte und Muse war. Allerdings hatte die Irin rötliche Haare und eine sehr blasse Haut, was nicht zu dem dunklen Schamhaar vom „Ursprung der Welt“ passt.

Constance Quéniaux hatte dagegen schwarze Haare und „schöne schwarze Augenbrauen“, wie Opernkritiker lobten. Das bestätigen auch historische Fotos der Tänzerin in der französischen Nationalbibliothek. Warum wurde ihr Name dann nicht früher genannt? „Es war ein gut gehütetes Geheimnis“, sagt Expertin Sylvie Aubenas. Dumas habe es in seinem Brief an die Schriftstellerin George Sand verraten, weil er Courbet nicht gemocht habe.

Geschenks an Modell

Ein weiteres Indiz ist auch ein Geschenk des Malers an sein Modell: Beim Tod von Constance Quéniaux wurde 1908 in ihrem Nachlass ein Courbet-Stillleben mit Blumen entdeckt. In der Mitte des Blumenstraußes prangt eine weit geöffnete rote Blüte. „Was könnte eine schönere Hommage des Künstlers und Auftraggebers an Constance sein?“ fragt Aubenas.

Courbets naturgetreue Darstellung einer Vulva macht immer wieder Schlagzeilen: Ein französischer Lehrer führt einen Prozess gegen Facebook, weil das soziale Netzwerk sein Konto sperrte, nachdem er dort den „Ursprung der Welt“ hochgeladen hatte. Die französische Post weigerte sich 2014, Courbets Bild auf einer Briefmarke nachzudrucken, da es Kinder verstören könne. Kunstliebhaber können sich das Original im Pariser Musée d’Orsay anschauen.

science.ORF.at/APA/AFP

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