E-Mails schreiben ohne Hoppalas

Kaum ein Kommunikationsmittel ist so schnell und effektiv wie E-Mails. Sie bieten aber auch viel Raum für Missverständnisse. Expertinnen geben nun Ratschläge, wie man die kommunikativen Hoppalas recht einfach vermeiden kann.

Beim Schreiben und Lesen von elektronischen Nachrichten muss man ohne Mimik, Gestik und Tonfall des Gegenübers auskommen. E-Mail-Kommunikation ist tendenziell egozentrisch und weitgehend „losgelöst von unmittelbarem Feedback“, erklärt die Psychologin Monica Riordan von der Chatham University in Pittsburgh, Pennsylvania. So kann eine schnell getippte, knappe E-Mail der Chefin, mit der Bitte, eine Tätigkeit anders zu erledigen, beim Empfänger als verärgerte Kritik ankommen – obwohl die Nachricht gar nicht so gemeint war. Und anders, als bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht, bleiben das Missverständnis und die damit verbundene Kränkung vermutlich unbemerkt.

Wenn ein Rufzeichen eine Krise auslöst

Das Schreiben und das Lesen von E-Mails seien „einsame Handlungen“, sagt auch Michaela Kellner. Sie hat zusammen mit Andrea Khom das Buch „Konfliktfalle E-Mail“ geschrieben und sich auf Emotionen in der Kommunikation spezialisiert. Khom erinnert sich an die Mitarbeiter einer österreichischen Unternehmenszentrale, die E-Mails an die Kollegen der Niederlassung in Deutschland stets mit einem Ausrufezeichen nach der Begrüßung begannen. Was die Österreicher als „Ausdruck der Höflichkeit“ verstanden, kam bei den deutschen Kollegen als „fordernd“ an, so Khom – und führte nach mehreren Monaten schließlich zu einem großen Konflikt im Unternehmen.

Ö1-Sendungshinweis

Missverständnisse in E-Mails und Kurznachrichten: matrix - computer & neue medien, 28.9., 19:05 Uhr.

Befördert werden E-Mail-Missverständnisse außerdem dadurch, dass es unterschiedliche Typen von Menschen gebe, sagen die beiden Kommunikationstrainerinnen. Während es den einen zum Beispiel vor allem wichtig sei, dass eine E-Mail kurz, knapp und sachlich ist, würden die anderen großen Wert auf eine korrekte Anrede und Höflichkeit legen, erklärt Kellner.

Eine Frau sitzt vor einem Computer und blickt ernst

APA/AFP/Anwar Amro

Freundschaft schützt nicht vor Missverständnissen

Zu Stolpersteinen können außerdem Abkürzungen werden. Vor allem, wenn diese nicht allgemein üblich sind. „Zum Beispiel: ,GM Andrea‘ anstelle von ,Guten Morgen Andrea‘“, sagt Khom. Das könne dazu führen, dass sich die Empfängerin von der Senderin nicht wertgeschätzt fühlt – nach dem Motto: „Die nimmt sich nicht einmal die Zeit, das auszuschreiben. Ich bin ihr nicht so wichtig!“

Bei besonders originellen oder englischen Abkürzungen bestehe zudem die Gefahr, dass sie nicht oder falsch werden. „Das kann man ganz einfach vermeiden“, sagt Khom. „Ausschreiben!“

Besonders tückisch ist laut einer Studie, dass die Missverständnisse nicht unbedingt weniger werden, wenn man die Person, mit der man digital kommuniziert, besser kennt. Denn gerade dann würden wir davon ausgehen, dass wir verstanden werden, sagt die Studienautorin Monica Riordan. Bei einer E-Mail an einen fremden Menschen schreiben wir vielleicht explizit: „Das freut mich sehr!“ Bei einer E-Mail an einen Freund oder einen Familienangehörigen würden wir das dagegen eher nicht tun. „Wir verlassen uns sehr stark auf die Beziehung und setzen keine Hinweise mehr ein“, sagt Riordan. „Damit machen wir es für den Freund oder Familienangehörigen aber sehr schwer, uns zu verstehen.“

Face-to-face-Hilfe viel wahrscheinlicher

Dass wir unsere kommunikativen Fähigkeiten beim Schreiben von E-Mails meist überschätzen und vor lauter vermeintlicher Unkompliziertheit über die Schwächen von digitalen Nachrichten hinwegsehen, zeigen auch die Forschungsergebnisse von Mahdi Roghanizad von der Ivey Business School der Western University in Kanada. Er ließ eine Gruppe von Menschen Fremde via E-Mail um Hilfe bitten und eine andere Fremde von Angesicht zu Angesicht. Bei der Face-to-Face-Gruppe war die Zustimmungsrate deutlich höher: „Wenn man Fremde um Hilfe bittet, ist Face-to-Face 34 Mal effektiver als E-Mail“, sagt Roghanizad.

Dass Menschen im persönlichen Gespräch eher hilfsbereit sind als bei einer E-Mail eines Fremden, mag nicht besonders überraschend sein. Die Studienteilnehmer unterschätzten diesen Effekt aber stark, erklärt Roghanizad: „Sie gingen davon aus, dass die Erfolgschancen sowohl bei Face-to-Face als auch bei E-Mail bei rund 50 Prozent liegen.“ Der Wissenschaftler führt dies darauf zurück, dass man sich beim Schreiben einer E-Mail nicht ausreichend in die Lage des E-Mail-Empfängers versetzt und den sozialen Druck eines persönlichen Gesprächs unterschätzt.

Emojis auf einem Handy

AFP Photo / Miguel Medina

Emojis als Ausweg?

Textnachrichten beinhalten heutzutage häufig auch Emojis. Grundsätzlich können diese sehr nützlich sein, um die Emotionen hinter einer Nachricht klarer darzustellen, findet Monica Riordan – auch in E-Mails. Sie untersucht derzeit, wie sich ein Smiley am Ende eines kritischen Feedbacks zu Arbeiten von Studierenden auswirkt. „Die Studierenden nehmen das Feedback offenbar als positiver und ermutigender wahr, wenn es mit einem Smiley versehen ist“, sagt Riordan.

Ein allgemeiner Rat, in E-Mails Smileys einzusetzen, ließe sich davon allerdings nicht ableiten – denn wie diese aufgenommen werden, sei einmal mehr stark vom Kontext und vom Empfänger abhängig, erklärt Riordan. Die Psychologin untersucht auch, wie Emojis in der internen Unternehmenskommunikation wirken. Und die ersten Ergebnisse würden nahelegen, dass Emojis Mitarbeiter und Chefs zwar positiver erscheinen lassen. Chefs, die in E-Mails mit Emojis kommunizieren, würden aber offenbar auch als weniger kompetent wahrgenommen werden, so Riordan.

Einfühlsam und klar

Wer Missverständnisse in E-Mails vermeiden möchte, sollte sich beim Schreiben und Lesen immer die Zeit nehmen, sich in die Situation des Gesprächspartners hineinzuversetzen, rät Monica Riordan. Und wenn das nicht ohne weiteres geht, etwa weil man den Sender bzw. Empfänger nicht ausreichend kennt, gelte vor allem folgende Faustregel: „Schreiben Sie so klar und eindeutig als möglich!“

Wenn ein E-Mail-Gespräch außer Kontrolle geraten ist oder man eine E-Mail überhaupt nicht nachvollziehen kann, raten Michaela Kellner und Andrea Khom dazu, den Kommunikationskanal zu wechseln. „Greifen Sie zum Telefonhörer oder gehen Sie für ein Gespräch ins Nebenbüro, wenn es sich um eine interne E-Mail handelt“, sagt Kellner. Und immer dann, wenn man bemerkt, dass man auf eine E-Mail sehr emotional reagieren möchte, raten die beiden Kommunikationsexpertinnen dazu, dem Drang, auf „senden“ zu klicken, zu widerstehen und zuerst einmal ein bisschen abzuwarten.

Lukas Plank, Ö1-Wissenschaft

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