Geschmackslabor sucht Zuckerersatz

Forscher suchen nach Alternativen zu Zucker, um Krankheiten wie Fettleibigkeit entgegenzuwirken - so auch das Ziel eines neuen Christian Doppler Labors in Wien. Hier will man den süßen Geschmackssinn besser verstehen lernen, um Ersatzstoffe zu finden.

Welche Rezeptoren helfen uns, süß zu schmecken? Die Antwort auf diese Frage ist komplexer als gedacht, gesteht auch der Molekularbiologe Robert Margolskee vom Monell Chemical Senses Center in Philadelphia, der anlässlich der Laboreröffnung in Wien zu Gast war. Süß zählt auch zu seinen Lieblingsgeschmacksrichtungen - privat wie in der Forschung. „Ich kann Desserts nur schwer widerstehen. Aber auch aus wissenschaftlicher Sicht ist süß faszinierend: Wie Forschungen aus den letzten Jahren gezeigt haben, sind Geschmackszellen wesentlich klüger, als wir gedacht haben.“

Christian Doppler Labor

An der Fakultät für Chemie der Universität Wien wird nun zu Geschmacksrezeptoren geforscht. Die Leitung des Labors übernimmt Barbara Lieder. Sie und ihr Team befassen sich mit den an der Süßwahrnehmung beteiligten Rezeptoren im menschlichen Körper.

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmete sich auch die Sendung „Wissen aktuell“ am 1.10. um 13.55 Uhr.

Zwei Signalwege für süß

Bis vor wenigen Jahren glaubte man noch, dass uns allein der Geschmacksrezeptor mit T1R2- und T1R3-Proteinen helfen, einen Zwetschkenkuchen oder Schokolade als süß zu identifizieren. Wie Margolskee und seine Kollegen herausfanden, gibt es hier aber noch einen zweiten Weg, über den wir Süßes aufspüren. „Über beide Wege werden auch zwei unterschiedliche Signale an das Gehirn weitergeleitet.“

Das Hauptsignal geht dabei von den bekannten Geschmacksrezeptorproteinen aus, die tatsächlich alles aufspüren, das süß ist - also unabhängig davon, ob es sich um kalorienhaltigen Zucker handelt oder um andere Süßstoffe wie Stevia, die keine Kalorien enthalten. Über die zweiten Proteine erkennt der Körper, ob das Süße auch Kalorien hat - also ob er damit auch Energie geliefert bekommt oder nicht. „Der erste Sensor sagt, das ist süß, das wirst du mögen. Der zweite sagt, das ist wirklich gut für dich, das musst du haben, weil es dir Energie gibt.“ Dieses nachgeschaltete Signal steuere letztlich unser Verhalten und sorge dafür, dass uns Süßes so gut schmeckt und wir davon nicht genug bekommen können.

Zuckeralternative: Kaloriensignal austricksen

Will man Zucker künftig durch eine kalorienarme, geschmackvolle Alternative ersetzen, muss man auch diesen zweiten Signalweg aktivieren bzw. austricksen, ist Margolskee überzeugt. „Normalerweise bedienen Forscher nur den Weg über die Rezeptoren. Damit aktiviert man aber nur die Hälfte des Signals, die bei süßem Schmecken miteinbezogen ist.“

Noch ist aber weitere Grundlagenforschung notwendig, um den Geschmackssinn auf molekularer Ebene besser zu verstehen. Dabei konzentrieren sich Forscher weltweit nicht nur auf die Zunge. Denn wie immer mehr Forschungen zeigen, befinden sich auch in anderen Organen ähnliche Geschmacksenzyme. So wurden etwa in der Bauchspeicheldrüse sowie im Darm dieselben Signale entdeckt, mit dem der Körper auf der Zunge den Kaloriengehalt einer Speise überprüft.

In der Bauchspeicheldrüse misst das Enzym den Zuckergehalt im Blut und aktiviert gegebenenfalls das Insulin, um den Blutzuckerspiegel wieder zu senken. „Es ist wirklich erstaunlich, wie der Körper die gleichen Proteine auf eine ähnliche Art einsetzt - sprich, um den Zuckerhaushalt zu regulieren. Wir verstehen dadurch immer besser, wie der Geschmackssinn Teil unseres Verdauungssystems ist.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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