Universalimpfung gegen Grippe

Die Grippeimpfung gilt als unzuverlässig und ist von kurzer Wirkung. Eine Universalimpfung wäre die Lösung. Ein österreichischer Forscher in den USA arbeitet daran, das alljährliche Ratespiel bei der Herstellung des Impfstoffs zu beenden.

Peter Palese ist Vorstand der Abteilung für Mikrobiologie der Icahn School of Medicine at Mount Sinai im US-Bundesstaat New York und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Besonderheiten von Viren, darunter auch des Grippe-Virus. Er war auf Einladung des Wiener Wissenschafts-, Technologie- und Forschungsfonds (WWTF) und der Industriellenvereinigung (IV) in Wien.

science.ORF.at: Warum ist es so schwierig, den richtigen Impfstoff für das Grippe-Virus zu entwickeln?

Peter Palese: Weil es so flexibel ist und sich permanent ändert. Unser Immunsystem nimmt die Oberfläche des Grippe-Virus wahr, vor allem das Hämagglutinin, das aussieht wie kleine Spitzen. Sie ändern sich häufig. Derzeit gibt es weltweit vier verschiedene Linien, in denen sich die heurigen Influenza-Viren entwickeln - aber auch sie verändern sich permanent. Das heißt, man braucht einen Impfstoff, der nicht nur diese vier Komponenten enthält, sondern auch voraussieht, wie die zirkulierenden Stämme in einigen Monaten aussehen werden. Normalerweise wird im Februar bestimmt, welche Stämme ein Impfstoff abdecken soll. Die Industrie baucht dann ein halbes Jahr, um sie zu produzieren - in dieser Zeit kann viel passieren.

Ein Grippevirus

H. Kolds&ostroke;/Oxford

Die „Kronen“ (rote Spitzen) des Grippevirus verändern sich von Jahr zu Jahr - deshalb konzentriert sich die Impfstoff-Forschung auf den Stamm.

Wie soll ein Universalimpfstoff dann trotzdem funktionieren?

Peter Palese: Indem man sich nicht auf die sich schnell wandelnde Oberfläche konzentriert, sondern auf die stabileren Teile. Die Spitzen an der Virus-Oberfläche sehen ein bisschen aus wie Bäume - die Baumkronen wechseln von Jahr zu Jahr, die Stämme bleiben einigermaßen stabil. Wir haben ein Virus im Labor erzeugt, das das Immunsystem umlenkt: Es konzentriert sich dann nicht mehr auf die wechselnden Kronen, sondern auf die Stämme. Durch eine Impfung mit dem veränderten Virus könnte der Körper immer erkennen, dass es sich um einen Influenza-Erreger handelt und ihn entsprechend bekämpfen.

Ö1 Sendungshinweis:

Über die Arbeit an einem Universalimpfstoff gegen Grippe berichtet auch das Morgenjournal.

Und funktioniert die Impfung?

Peter Palese: Bei Tieren haben wir bereits eindeutige Ergebnisse. Mäuse, Meerschweinchen und Frettchen sind die Tiermodelle, die für die Influenza-Forschung verwendet werden. Sie konnten wir vor allen Influenza-Viren schützen. Ob das Immunsystem des Menschen vergleichbar ist mit jenem der Tiere, wird gerade in zwei klinischen Tests überprüft. Die Bill und Melinda Gates-Stiftung und das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline testen an mehr als 500 Menschen, ob die Impfung funktioniert. Dadurch wird sicher klar, ob unsere Richtung stimmt.

Das heißt, die Pharma-Industrie unterstützt Ihre Arbeit? Vom Gewinn her ist eine jährliche Impfung lohender als eine möglicherweise lebenslange Immunität …

Peter Palese: 95 Prozent unserer Forschungsgelder kommen von den National Institutes of Health (NIH), also einer staatlichen Organisation. Auch für die Entwicklung des Universalimpfstoffes haben wir fast ausschließlich Geld von den NIH verwendet. Die Firmen rennen uns nicht die Türe ein, um den Impfstoff durch Geld aus der pharmazeutischen Industrie zu finanzieren.

Wie lange wird es denn - vorausgesetzt die aktuellen Tests verlaufen erfolgreich - noch dauern, bis der Universalimpfstoff auf den Markt kommt?

Nach den derzeit laufenden Phase-2-Tests kommt noch die Phase 3, in der an zigtausenden Menschen Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen der Impfung überprüft werden. Das kann durchaus noch länger dauern, aber ich hoffe, keine zehn Jahre mehr. Bis dahin rate ich zur Impfung mit den heute schon vorliegenden Impfstoffen - sie sind zwar nicht perfekt, aber das Beste, das wir haben.

Interview: Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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