Einzeller als Raumfahrer

Fast wöchentlich entdecken Astronomen neue Planeten im All. Doch die fernen Welten sind viel zu weit weg. Forscher planen nun, Leben in Form von tiefgefrorenen Einzellern hinzubringen. Sie sollen dort eine neue Evolution in Gang setzen.

Am Institut für Theoretische Physik der Goethe-Universität in Frankfurt am Main denken Forscher über eine zweite Genesis nach. „Wir wollen nur den Startpunkt setzen“, erklärt Claudius Gros beim International Astronautical Congress, der seit Montag in Bremen tagt. Er und seine Kollegen wollen „nur“ mal eben eine zweite Evolution anschieben. „Das ist bescheiden, aber der Vorteil wäre: Es ist technisch potenziell realisierbar“, so der Frankfurter Physiker.

Statt dass Menschen selbst eine jahrhundertelange Reise zu einem bewohnbaren Planeten antreten, sollten dies Zellkulturen tun – Flaschenpost von der Erde. „Wir könnten eine Raumsonde konstruieren und diese zu fernen Welten schicken - also zu Planeten außerhalb unseres Sonnensystems - und dort Leben hinbringen“, glaubt Gros. An Bord dieser Raumsonde sollten sich Sporen befinden, einzellige Organismen also – und zwar tiefgefroren.

Gehet hin und mehret Euch

Sporen gibt es in allen Größen und Formen. Für ein derartiges Vorhaben interessant wären solche, die Tausende von Jahren in gefrorenem Zustand überstehen und zu neuem Leben erwachen, wenn sie in Kontakt mit Wasser geraten. Auf einem bewohnbaren Exoplaneten angekommen würden diese Organismen dann eine neue Evolution in Gang setzen – Genesis 2.0.

Es würde sich um eine neue Erde handeln mit importiertem Leben, das sich aber selbständig entwickeln würde. Erst einmal würde nicht mehr entstehen als Bakterien. „Das werden keine komplexen Tiere, keine Kaninchen oder Vögel“, glaubt Claudius Gros. „Wir wollen einzelliges Leben dorthin bringen, also solche Bakterien, wie es sie am Anfang auch hier auf der Erde gab.“

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 2. Oktober 2018 um 12:00 Uhr.

Doch was, wenn auf dem Zielplaneten bereits etwas „kreucht und fleucht“? Wären die Sporen der Erde dann Invasoren? Nein, sagen die Frankfurter Physiker. Eine Raumsonde würde bereits aus dem All, aus einer Umlaufbahn heraus, erkennen, ob es unten auf der Oberfläche intelligentes Leben gibt. Falls ja, würde der Besiedlungsversuch automatisch abgebrochen. Aber falls nein, böten die Samen der Erde dem Planeten eine Gelegenheit, rund drei Milliarden Jahre in seiner Evolution zu überspringen.

Außerirdisches Aufzugsprogramm

Schönheitsfehler beim Projekt der zweiten Genesis: Die Absender dieser kosmischen Flaschenpost – also die Menschen auf dem Planeten Erde – würden wohl nie erfahren, was aus ihren Zuchtversuchen geworden ist.

Theoretisch könnte die Menschheit – so sie dann noch existiert – in mehreren zehntausend Jahren eine Sonde zu besagtem Exoplaneten schicken und nachschauen, ob dort etwas wächst und gedeiht. „Aber wir würden niemals während unserer Lebenszeit etwas davon erfahren“, schränkt Claus ein. Doch zumindest die DNA der Erde könnte so fortbestehen – nur eben irgendwo anders.

Guido Meyer, science.ORF.at

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