Pflanzenviren als Biowaffen?

Ein US-Forschungsprojekt will mit Hilfe von veränderten Viren und Insekten Nutzpflanzen wie Mais und Tomaten gegen Trockenheit und Schädlinge resistent machen. Das könnte zur biologischen Kriegsführung missbraucht werden, befürchten nun Forscher.

Weltweit arbeiten Wissenschaftler daran, Nutzpflanzen widerstandsfähiger gegen Dürre und Erreger zu machen. In den USA schlug man mit dem Projekt „Insect Allies“ vor rund einem Jahr einen besonders drastischen Weg ein. Die Idee: Man infiziert kleine Insekten wie Kleinzikaden, Mottenschild- und Blattläuse mit einem Pflanzenvirus, das etwa mit einer Genschere wie CRISPR Cas 9 verändert wurde. Die Insekten sollen anschließend in der Natur freigelassen und das Genscheren-Virus auf die Maispflanzen und Tomaten übertragen werden. Dadurch werden Pflanzen-Chromosomen verändert.

Der Artikel

„Agricultural research, or a new bioweapon system?“, Science, 4.10.2018

Ö1-Sendungshinweis

Diesem thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“ am 5.10. um 13:55.

Auf diese Weise will man unmittelbar auf Bedrohungen reagieren können, wenn die Pflanzen schon auf den Feldern wachsen. Das geht aus der Projektbeschreibung der „Defense Advanced Research Projects Agency“ hervor - die Behörde des US-Verteidigungsministeriums, die neben diesem Forschungsprojekt auch Projekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten fördert. Die Methode soll am Ende des Forschungsprojektes in Gewächshäusern getestet werden.

Schwer kontrollierbar, leicht zu verfälschen

Es ist das weltweit erste Projekt, das solche Viren gezielt zur Ausbreitung in der freien Natur herstellen möchte. Und es ist das erste Projekt, das einen solchen Virus über Insekten auf bereits wachsende Pflanzen verbreiten will, sagt der Molekularbiologe Guy Reeves vom Max Planck Institut für Evolutionsbiologie. „Die Faszination, Viren zu modifizieren, ist grundsätzlich nicht neu. Seit 1993 gab es vier Versuche, keiner dieser Viren wurde allerdings tatsächlich kommerziell produziert. Was daran liegt, dass Viren schwer zu kontrollieren sind.“ Reeves ist einer von fünf Wissenschaftlern, die das Projekt nun in einem Artikel im Fachjournal „Science“ kritisieren. Konkret befürchten sie, dass diese Forschung zur biologischen Kriegsführung missbraucht werden könnte - etwa, um Felder zu zerstören.

Grafik zu Pflanzenviren

Derek Caetano-Anolles

Das wäre technologisch nicht nur machbar, es wäre auch wesentlich einfacher, so Reeves. „Technisch ist es 1.000-mal komplexer, ein Virus zu entwickeln, das nicht nur bestimmte Chromosomen zerschneidet, sondern auch gezielt Gene einsetzt.“ Denn das wäre vermutlich notwendig, wenn die Methode in der Natur angewendet werden soll. Zudem gibt der Molekularbiologe zu bedenken, dass sich Pflanzenviren nicht nur geografisch schwer kontrollieren lassen, sondern auch hinsichtlich der Pflanzenarten, die durch das Virus infiziert werden sollen.

„Es gäbe auch Spraysysteme“

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist, wie sich jede Pflanze tatsächlich durch die Viren verändern wird. Im Vergleich zu herkömmlichen Manipulationen im Labor soll bei dem Forschungsprojekt jede Pflanze am Feld modifiziert werden. „Vermutlich müsste man darüber hinaus auch die Insekten genetisch so verändern, dass sie sterilisiert sind und nach zwei Wochen sterben, so sieht es das Projekt vor.“

Stutzig macht die Forscher aber vor allem der Einsatz von Insekten, gäbe es in Friedenszeiten doch Spraysysteme, die leichter und gezielter einsetzbar wären, erklären die Autoren, darunter auch die Völkerrechtsexpertin Silja Vöneky von der Universität Freiburg. „In bewaffneten Konflikten hingegen könnten Insekten Sinn machen, weil man somit eher verdeckte Operationen gegen spezifische Pflanzen durchführen könnte.“ Hinzu kommt, dass es aktuell keine rechtliche Grundlage gibt, die den Einsatz solcher modifizierter Insekten und der dadurch modifizierten Pflanzen in der streng regulierten Landwirtschaft erlauben würde. Die tatsächliche Anwendbarkeit in der Landwirtschaft wäre also ohnehin fraglich.

Verstoß gegen die UNO-Biowaffenkonvention?

All diese Fragezeichen erwecken bei den Autoren den Verdacht, dass das US-Programm nicht nur friedliche Zwecke verfolgt. In diesem Fall wäre das ein Verstoß gegen die UNO-Biowaffenkonvention. Nach deren Artikel 1 verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, die Erzeugung von biologischen Substanzen in Arten und Mengen zu unterlassen, die nicht durch friedliche Zwecke gerechtfertigt sind, erklärt die Rechtswissenschaftlerin Vöneky. „Wird im Graubereich der Biowaffenkonvention ein Forschungsprojekt durchgeführt, muss es durch friedliche Zwecke gerechtfertigt sein.“

Die Forscher fordern nun zu einer öffentlichen Diskussion zwischen Ethikern, Naturwissenschaftlern und Juristen auf, um die Chancen und Gefahren der Methode abzuwägen. Eine solche Diskussion habe anders als bei früheren, vergleichbaren Fällen bisher nicht ausreichend stattgefunden, kritisieren die Forscher. „Als im Jahr 2014 in einem Forschungsprojekt Grippeviren gefährlicher gemacht werden sollten, gab es eine große Evaluation über die möglichen Risiken und Chancen des Projektes.“ Damit hat sich auch das US-Expertengremium „National Science Advisory Board for Biosecurity“ (NSABB) befasst. „Es ist verwunderlich, dass dieses Gremium nicht auch hier eine Stellungnahme zu den Chancen und Risiken verfasst hat“, erklärt Vöneky.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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