Spanische Grippe könnte sich wiederholen

50 Millionen Menschen starben Anfang des vergangenen Jahrhunderts an der Spanischen Grippe. Eine derart fatale Grippewelle könnte sich auch heute ereignen, warnen australische Forscherinnen.

Das Team um die Immunologin Carolien van de Sandt kommt in einem Fachartikel zu einem beunruhigenden Resümee: Die Menschheit sei auf die nächste Pandemie schlecht vorbereitet. Vor allem die Alterung der Gesellschaft, Antibiotika-Resistenzen und der Klimawandel würden die Bekämpfung von Infektionen erschweren, sodass im schlimmsten Fall bis zu 150 Millionen Menschen sterben könnten.

Vier Pandemien analysiert

Die Forscherinnen hatten für die Studie im Fachblatt „Frontiers in Cellular and Infection Microbiology“ einige große Grippe-Epidemien analysiert: die Asiatische Grippe von 1957, die Hongkong-Grippe 1968, die Schweinegrippe 2009 sowie die Spanische Grippe, die sich 1918 am Ende des Ersten Weltkriegs auf dem ganzen Erdball verbreitete.

Mikroskopische Aufnahme eines Virus, daneben: Computermodell der Innenstruktur

National Institutes of Health (NIH)

Tödliches Virus: Der Erreger der Spanischen Grippe

Entgegen der damaligen Vermutungen erkrankten nach heutigem Forschungsstand nicht Spanier, sondern US-Soldaten als erste an der sogenannten Spanischen Grippe. Weltweit starben etwa 50 Millionen Menschen und damit 2,5 Prozent der damals Erkrankten.

Bei den Opfern damals handelte es sich besonders häufig um junge Menschen. Das Virus war auch deshalb so gefährlich, weil Unterernährung infolge des Krieges besonders verbreitet war.

Risiko für Alte und Kranke

Die Wissenschaft gehe davon aus, dass die nächste große Grippe-Epidemie anders verlaufen und besonders ältere und chronisch kranke Menschen in den Industrieländern treffen wird. Hier gebe es besonders viele Übergewichtige und Diabetiker, betont Kirsty Short von der University of Queensland - diese Menschen seien besonders häufig schwer an der Schweinegrippe 2009 erkrankt.

Short, van de Sandt und ihre Kollegen sprechen von einer „doppelten Bürde“: Die Ausbreitung eines Grippevirus werde durch weit verbreitete Unterernährung in den Entwicklungsländern sowie durch die Überernährung in reicheren Ländern gefördert.

Und auch der fortschreitende Klimawandel könnte sich auf kommende Grippewellen auswirken. Van de Sandt weist darauf hin, dass viele Grippeviren-Stämme sich zuerst in Vögeln entwickeln. Der Klimawandel könne die Flugrouten von Vögeln verändern und damit „potenziell pandemische Viren in neue Orte bringen und potenziell eine größere Bandbreite an Vogelarten“ befallen.

Folgeinfektionen durch resistente Keime

Nicht außer Acht gelassen werden dürfe auch das Risiko, das grippegeschwächte Patienten leichter an bakteriellen Infektionen erkranken. Diese können anders als das Grippe-Virus mit Antibiotika behandelt werden. Allerdings werden wegen des massenhaften Einsatzes von Antibiotika in der Medizin und der Tierzucht immer mehr Bakterien resistent. Damit steige das Risiko, dass Menschen bei der nächsten Grippe-Epidemie an bakteriellen Folge-Infektionen sterben, sagt Katherine Kedzierska vom Doherty-Institut in Melbourne.

Dicht besiedelte Mega-Städte und der erdüberspannende Flugverkehr erleichtern laut den Forscherinnen die Verbreitung von Grippeviren. Einen universellen Impfstoff gegen die zahlreichen, sich ständig neu entwickelnden Varianten der Grippe gebe es noch nicht.

Van de Sandt und ihre Kollegen heben jedoch hervor, dass moderne Entwicklungen bei der Eindämmung künftiger Epidemien helfen könnten, wie etwa die schnelle Kommunikation via Internet. So könnten im Falle einer Pandemie schnell Warnungen und Verhaltensanweisungen verbreitet werden. Eine der wichtigsten Lektionen aus der Spanischen Grippe laute: „Eine gut vorbereitete Reaktion der Öffentlichkeit kann viele Leben retten.“

science.ORF.at/AFP

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